02. November 2025 – dpa

Tierkrankheiten

Geflügelpest bleibt akut – Experten sehen keine Entspannung

Die Zahl der Vogelgrippe-Ausbrüche in Geflügelbetrieben steigt weiter. Mehr als 500.000 Nutztiere mussten getötet werden, um die Ausbreitung einzudämmen. Fachleute erwarten keine schnelle Entspannung.

Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) rechnet nicht mit einem raschen Abflauen der aktuellen Vogelgrippe-Welle in Deutschland, hält eine Verlagerung des Infektionsgeschehens Richtung Süden aber für wahrscheinlich. «Wir sehen weiterhin stetig steigende Zahlen, eine Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht», sagte Instituts-Präsidentin Christa Kühn. «Auf der Europakarte ist anhand der Fälle bei Wildvögeln eindrücklich quasi der Herbstvogelzug Richtung Südwesten abzulesen.»

Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe genannt, ist eine bei vielen Vogel- und Geflügelarten häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Um die Einschleppung des unter Wildvögeln grassierenden, hochansteckenden Virus H5N1 in große Geflügelbetriebe möglichst zu verhindern, seien weiterhin höchste Aufmerksamkeit und die strikte Einhaltung der Hygienevorschriften sowie Schutzmaßnahmen erforderlich, mahnte Kühn.

Von Anfang September bis Ende Oktober registrierte das Loeffler-Institut für Tiergesundheit mit Sitz in Greifswald bundesweit etwa 50 Vogelgrippe-Ausbrüche in kommerziellen Geflügelhaltungen. Binnen einer Woche habe sich die Zahl fast verdoppelt, hieß es. Weit mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten seien vorsorglich getötet und entsorgt worden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Besonders betroffen sind bislang die Bundesländer Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Schon jetzt liegt die Gesamtzahl der 2025 erfassten Betriebe mit 85 über dem Wert des Jahres 2017, in dem die bislang dritthöchste Ausbreitung der Geflügelpest in Deutschland registriert worden war. Die schlimmsten Seuchenzüge hatte es 2021 und 2022 gegeben. Im Jahr 2021 hatte die Vogelgrippe laut FLI 286 Geflügelfarmen erfasst. Der Fachpresse zufolge wurden damals mehr als zwei Millionen Nutztiere getötet.

Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts fordert die Geflügelpest weiterhin viele Opfer unter Wildvögeln. Bei rund 250 eingesandten Tierkadavern sei im Referenzlabor das Virus H5N1 festgestellt worden. Aufgrund des dynamischen Geschehens seien die Daten aber lediglich Momentaufnahmen, die Zahl der verendeten Tiere um ein Vielfaches höher. Auch wenn die örtlichen Veterinärbehörden bereits stark ausgelastet seien, bleibe die Bergung toter Wildvögel wichtig, betonte FLI-Chefin Kühn.

Die Fachleute des Instituts sind sich sicher, dass die hochpathogene aviäre Influenza (HPAIV) vom Subtyp H5N1 großflächig mit dem Herbstzug der Wildvögel eingetragen wird. Dabei spiegele die Zahl der tot aufgefundenen Tiere nicht die tatsächliche Viruslast in der Wildvogel-Population wider. Viele Wasservögel würden das Virus über den Kot ausscheiden, ohne selbst schwer zu erkranken.

Auffällig sei in diesem Jahr, dass trotz der weiten Verbreitung des Virus bislang keine große Zahl verendeter Wildenten oder Wildgänse festgestellt wurde, hieß es weiter. Vor allem unter Kranichen hat die Vogelgrippe in diesem Herbst aber ein Massensterben ausgelöst. In dieser Form werde das in Deutschland erstmals beobachtet.

Nach dem Fund toter Kraniche, bei denen H5N1 nachgewiesen wurde, hatten das Saarland und Hamburg als erste Bundesländer eine landesweite Stallpflicht für Nutzgeflügel angeordnet. Damit soll die Gefahr reduziert werden, dass dort die Geflügelpest auch auf Zucht-, Mast- und Hausgeflügelbestände übergreift. In einer Reihe anderer Bundesländer gilt die Stallpflicht regional begrenzt.

Der Umweltschutzverband NABU äußerte indes erneut Zweifel daran, dass Wildvögel die Ursache für Ausbrüche der hochpathogenen Vogelgrippe H5N1 sind. Dies sei bisher nicht belegt, hieß es in einer Mitteilung des NABU-Landesverbandes Brandenburg. Vieles deute darauf hin, dass Wildvögel erst dann mit den Viren infiziert seien, wenn diese vorher in der Geflügelwirtschaft zirkulierten. «Die Entlüftungen der Massenhaltungsbetriebe und das Ausbringen von Geflügeldung auf die Maisäcker sind hierbei mögliche Ausbreitungswege des Virus», hieß es. Der NABU forderte eine solide und transparente Ursachenforschung und bessere Vorsorge in den Betrieben.

Nach Angaben des Loeffler-Instituts liefern die vorliegenden Kenntnisse jedoch keine Hinweise darauf, dass Austräge aus Tierhaltungen einen maßgeblichen Einfluss auf das Gesamtgeschehen im Wildvogelbereich haben. Die bisherigen Vogelgrippe-Ausbrüche beträfen Einzelbetriebe, ohne Hinweise auf Infektionsketten zwischen Geflügelhaltungen.

Analysen hätten eine höhere genetische Virus-Diversität in Wildvogelpopulationen ergeben. «Ein Hinweis auf eine eigenständige Viruszirkulation in Wildvögeln mit sporadischer Einschleppungen in Geflügelbestände. Ausbrüche in Geflügelbeständen, die auf sekundäre Verschleppungen zwischen Betrieben deuten würden, sind bisher in Deutschland Ausnahmen», teilte das Institut auf Anfrage mit.

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