13. Oktober 2025 – dpa
Die Erderwärmung beschleunigt sich. Während die Politik Fristen für den Klimaschutz verschieben will, schlagen Wissenschaftler und Aktivisten Alarm. Die Warnungen sind drastisch.
Die Pläne in Landes- und Kommunalpolitik, Zielsetzungen beim Klimaschutz nach hinten zu verschieben, treffen zunehmend auf Widerstand. Für Dienstag kündigte die Umweltschutzorganisation BUND eine Mahnwache vor dem Stadthaus in Schwerin an. Anlass ist die Sitzung des Hauptausschusses des Stadtparlaments, der vor der Stadtvertretersitzung über einen Antrag der CDU berät, das Ziel der sogenannten Klimaneutralität um zehn Jahre von 2035 auf 2045 zu verschieben.
Schwerin habe mit seinem Fernwärmenetz, stadteigenen Betrieben, kurzen Wegen und Potenzialen für erneuerbare Energien günstige Voraussetzungen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase massiv zu verringern und so früher als andere die Klimaziele zu erreichen, betonten die Initiatoren des Protestes. Schwerin habe sich 2020 verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen.
«Wer jetzt zurückrudert, gefährdet Glaubwürdigkeit, Fördermittel und wirtschaftliche Dynamik», erklärte Johanna Köhnlein vom BUND Schwerin. Skeptiker verweisen hingegen auf die mit dem Umbau von Energieversorgung und Verkehr verbundenen hohen Kosten und Bedenken in Wirtschaft und Bevölkerung.
Erst am Freitag hatten die Grünen im Landtag heftige Kritik an der SPD-geführten Landesregierung geübt, weil diese das Ziel der Klimaneutralität für das Land von 2040 auf 2045 verschieben will. Der Abgeordnete Hannes Damm sprach von einem fatalen klimapolitischen Rückschritt.
Werde der Schadstoff-Ausstoß, der vor allem durch Verkehr, Kraftwerke und trocken gelegte Moore verursacht werde, nicht rigoros verringert, drohe eine Erderwärmung um drei Grad Celsius bis 2050, sagte Damm. Er warnte vor dramatischen Folgen für Gesundheit, Landwirtschaft und Ökosysteme. «Das ist keine Ideologie, das ist Physik», betonte er.
Umweltminister Till Backhaus (SPD) räumte ein, dass die Folgen des Klimawandels bereits deutlich zu spüren seien. Doch müssten beim Klimaschutz neben ökologischen auch ökonomische und soziale Fragen mit bedacht werden. «Klimaschutz muss auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen. Er muss für alle finanzierbar sein und darf keine sozialen Härten verursachen. Angebote sollen Vorrang vor pauschalen Verboten und Verpflichtungen haben», erklärte Backhaus.
Daher sei die Landesregierung nach intensiven Beratungen auch zu dem Ergebnis gelangt, dass es sachgerecht sei, das Ziel der Klimaneutralität im Landesklimaschutzgesetz erst für 2045 festzuschreiben. Bis dahin gelte es, die Energieeffizienz zu verbessern, die Potenziale der erneuerbaren Energien zu nutzen – und dabei sicherzustellen, dass nicht einzelne Regionen überlastet, sondern alle fair beteiligt werden. Mit der Renaturierung der Moore solle diese CO₂-Quelle in eine dauerhafte Senke verwandelt werden.
Die Hansestadt Hamburg hingegen will beim Klimaschutz mehr Tempo machen. Nach einem Volksentscheid müssen die Bürgerschaft und der rot-grüne Senat die Klimaneutralität der Stadt um fünf Jahre auf 2040 vorziehen. Bei dem «Hamburger Zukunftsentscheid» hatten sich am Sonntag 53,1 Prozent der Abstimmenden für strengere Klimaschutzziele ausgesprochen.
Mit Blick auf die Folgen des Klimawandels hatten sich die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 darauf geeinigt, die menschengemachte globale Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Damit soll das Abschmelzen der Pole, die Überflutung von Siedlungsgebieten und die Zunahme von Extremwetterereignissen eingedämmt werden. Die EU beschloss 2021 das Ziel, dass Europa bis 2050 zum ersten Treibhausgas-neutralen Kontinent werden soll.
Jüngste Forschungen lassen darauf schließen, dass sich die Erderwärmung durch den fortwährenden Ausstoß klimarelevanter Gase beschleunigt. Bereits das Jahr 2024 hatte die 1,5-Grad-Grenze gerissen. Erst am Montag warnten 160 Klimaforscher aus 23 Ländern, dass das Erdsystem rapide auf mehrere Kipppunkte zusteuere, mit zerstörerischen Folgen für Menschen und Natur.