Kaum Anschluss unter dieser Nummer
Darf ich meine Familie in einem Risikogebiet besuchen? Wer bezahlt meinen Arbeitsausfall während der Quarantäne? Darf ich in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub machen? Das Informationsbedürfnis zur Corona-Krise hat in den vergangenen Tagen genauso rasant zugenommen wie die Zahl der nachgewiesenen Covid-19-Infektionen und Risikogebiete. Und dann noch die unglückliche Informationspolitik der Schweriner Staatskanzlei, die bei vielen von uns nach den jüngsten Krisensitzungen und Eilverordnungen für alles andere als für mehr Klarheit gesorgt hatte.
Doch zum Glück gibt es das „Zentrale Bürgertelefon zum Thema Coronavirus in MV“. Die Hotline findet sich leicht und schnell auf der Startseite der Homepage unserer Landesregierung: 0385 / 588 11311. Ein mehrtägiger Test von Ostseewelle und Ostsee-Zeitung lässt jetzt jedoch daran zweifeln, dass unsere Fragen hier gut aufgehoben sind.
16.10.2020
Radiobeitrag zur Corona-Hotline
Die Volontäre Stefanie Ploch und Samuel Mache haben mehrfach versucht, kompetenten Rat an der Hotline zu bekommen. Doch am Ende hieß es eher: „Kaum Anschluss unter dieser Nummer“. Hier ein persönlicher Erfahrungsbericht:
Ich wähle die Hotline und werde von einer Computerstimme begrüßt. Sie erklärt, dass man zwischen neun Themen- und Fragengebieten wählen kann, um Experten-Rat zu bekommen. Doch schon nach dem nächsten Tastendruck geht das Trauerspiel los: Im Regelfall sind meine Kollegin von der Ostsee-Zeitung und ich im Nirgendwo der Telefonanlage verschollen und haben niemanden erreicht. „Alle Mitarbeiter sind im Gespräch“ oder „Versuchen Sie es später noch einmal“, hieß es immer und immer wieder von automatischen Ansagen. Unsere Anruf-Statistik ergibt letztendlich: Bei insgesamt 85 Prozent (!) aller Versuche wurden wir mit unseren Fragen ans Bürgertelefon allein gelassen!
Besonderes Highlight auf der Odyssee waren die Anrufe im Themengebiet „Schule“. Dort landen wir stets auf einer Vodafone-Mailbox. Doch die ist voll und wir können keine Nachricht mehr hinterlassen. Schade.
Beachtenswert auch die Fachberatung im Bereich „Gesundheit“. Wer glaubt, so eine Pandemie hat hier einen besonderen Stellenwert, der wird ganz schnell eines Besseren belehrt, denn die Geschäftszeiten – also die Zeiten, in denen wir überhaupt die Chance haben sollen, jemanden zu erreichen – sind eher exklusiv: montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr. Immerhin: einmal haben wir es hier sogar geschafft, einen sachkundigen Menschen ans Telefon zu bekommen.
Wer das Beratungsangebot „Unterstützung für die Wirtschaft“ in Anspruch nehmen will, wird schnell erfahren, dass er keine Unterstützung bekommt. Statt eines um Verständnis ringenden Spruches á la „Alle Leitungen sind leider besetzt“, wird dort einfach direkt wieder aufgelegt.
Angesichts dieser ernüchternden Anruf-Erlebnisse gleicht es schon an ein kleines Beratungswunder, dass zumindest zwei von neun Fachgebiete fast immer zu einem menschlichen Kontakt führen.
Überraschung Nummer 1 im Fachressort „Tourismus und Beherbergung“. Aber nicht nur wir „fragenden Bürger“ sind anscheinend vom ganzen Regelwerk des Landes verwirrt. Auf die Frage, ob ich meine Kernfamilie in einem Risikogebiet besuchen kann, ohne weitere Folgen wie etwa Quarantäne befürchten zu müssen, erhielt ich beim ersten Test-Anruf am Mittwoch, 14.10.20, die Antwort: „Wissen Sie was, ich weiß es auch nicht. Das hat die Landesregierung noch nicht genau definiert“. Nur blöd: Doch, das hatte die Landesregierung bereits am Sonntagabend in einem Eilverordnungsschnellschuss geregelt. Aber ganz ehrlich: Bei all dem Wirrwarr und der Freude darüber, endlich mal einen echten Menschen ans Beratungstelefon bekommen zu haben, fällt es schwer, der netten Dame die Unwissenheit übel zu nehmen.
Immer kompetent und freundlich beraten – und somit so etwas wie unser Testsieger in einem schwachen Wettbewerbsumfeld – ist die Durchwahl zum Themengebiet „Justizvollzug und Justiz“. Das ist natürlich toll, aber ausgerechnet dieser Bereich betrifft uns Test-Anrufer am wenigsten.
Unser ernüchterndes Fazit nach zweit Test-Tagen am Telefon: Gut ist anders. Wenn wir überhaupt mal auf einer Leitung durchkommen, ist nicht garantiert, dass wir die Fragen auch korrekt beantwortet bekommen. Immerhin sind alle erreichten Ansprechpartner freundlich.
Irgendwie muss Ministerpräsidentin Manuela Schwesig das Debakel unseres Testes erahnt haben. Bereits am Dienstag dieser Woche kündigte sie in einer Pressekonferenz etwas beiläufig an, dass das Land jetzt, wo die Corona-Krise wieder akuter werde, die Kapazitäten an der Bürgerhotline hochfahren will. Wann das geschehen soll, sagte sie nicht. Doch wenn das nicht ganz schnell passiert, dann sollte das Land diesen >Kaum-Service< lieber einstellen und die Leitungen richtig kappen. Denn so bliebe Menschen mit echten Sorgen, Ängsten und Fragen wenigstens die Zeit erspart, die sie zumeist sinnlos in irgendwelchen Telefonschleifen verbringen.
Das für die Koordinierung der Bürger-Hotline zuständige Innenministerium hat am Freitag die Probleme eingeräumt und das Ergebnis des Testes als realistisch eingeschätzt. Im Zuge der aktuellen Corona-Entwicklung habe auch die Nachfrage am Servicetelefon der Landesregierung zugenommen. Im Schnitt wurden in der vergangenen Woche rund 1.800 Anrufversuche pro Tag gezählt, heiß es. Dadurch sei es auch zu Engpässen bei der Annahme der eingehenden Anrufe gekommen. Die Landesverwaltung habe aber schon damit begonnen, das Personal zur Betreuung der Hotline wieder aufzustocken.