10. November 2025 – dpa
Am Morgen des 20. Januar stößt eine Hadag-Fähre im dichten Nebel mit einem Schubverband zusammen. Es gibt 19 Verletzte. Doch wer trägt die Verantwortung für das Unglück?
Im Prozess um das Schiffsunglück auf der Elbe im Januar hat der Verteidiger der angeklagten Schiffsführerin eine Strafanzeige gegen den Kapitän des anderen Schiffes gestellt. Der Schiffsführer der «Hanse» habe trotz dichten Nebels die Geschwindigkeit seines Schubverbandes nicht angepasst, sagte Rechtsanwalt Carsten Grau. Dabei hätte er sein Tempo nach den Kollisionsverhütungsregeln reduzieren müssen. Außerdem sei der Ausguck nicht besetzt gewesen, obwohl drei Personen an Bord gewesen seien. Gegen den Mann bestehe daher der Tatverdacht auf fahrlässige Gefährdung des Schiffsverkehrs.
«Ich vermisse immer den Schiffsführer der "Hanse". Es ist naheliegend, auch gegen ihn zu ermitteln», sagte Grau. Zudem forderte er ein Nautisches Gutachten, ob der Zusammenstoß der beiden Schiffe hätte verhindert werden können, wenn die Geschwindigkeit reduziert worden wäre. Es sei von vornherein nur gegen seine Mandantin ermittelt worden.
Bei dem Unglück am 20. Januar wurden 19 Menschen verletzt. Die 48 Jahre alte Schiffsführerin einer Hadag-Fähre muss sich deshalb seit Anfang Oktober vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihr fahrlässige Gefährdung des Schiffsverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zur Last.
Die Angeklagte fuhr am 20. Januar als verantwortliche Schiffsführerin mit 27 Fahrgästen an Bord die Norderelbe aufwärts, heißt es in der Anklage. Beim Queren des Fahrwassers soll sie die Radaranlage des Bootes trotz dichten Nebels und damit eingeschränkter Sicht nicht genutzt haben, wie es die geltenden Kollisionsverhütungsregeln erfordert hätten. In der Folge näherte sich die Hadag-Fähre einem Schubverband mit Gütermotorschiff und gekoppeltem Schubleichter, der vorfahrtsberechtigt war.
Obwohl die 48-Jährige Funkkontakt zum Kapitän des Schubverbandes gehabt und den Verband auch gesehen haben soll, soll sie ihr Schiff nicht rechtzeitig nach Steuerbord gelenkt haben. Es kam zu einer Kollision, bei der 19 Passagiere Verletzungen erlitten, darunter Schnittwunden durch Glassplitter, Prellungen und Hämatome. Drei Menschen trugen ein Schädel-Hirn-Trauma beziehungsweise eine Gehirnerschütterung davon. Am Schubleichter entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 50.000 Euro.
Die Staatsanwältin betonte, sie sehe keine Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Verhalten des Kapitäns des anderen Schiffes. Laut Auswertung der Funksprüche soll der Kapitän vor der Kollision zu der Angeklagten gesagt haben: «Haben Sie mich gesehen?» Daraufhin habe die Schiffsführerin geantwortet: «Ja, ich ziehe gleich wieder rüber.» Trotzdem habe sie ihren Kurs nicht geändert und es sei zu der Kollision gekommen.
Der Kapitän des anderen Schiffes hatte in dem Prozess als Zeuge ausgesagt. Am Mittwoch soll ein weiterer Polizeibeamter befragt werden. Wann der Prozess endet, steht bislang nicht fest.