27. April 2023 – dpa
Es passiert nicht sehr oft, dass sich die SPD als «traditionelle Arbeiterpartei» von Gewerkschaften harsch angehen lassen muss. Beim Hamburger Vergabegesetz haben nun jedoch gleich mehrere Arbeitnehmer-Organisationen ein vernichtendes Urteil gefällt.
Mehrere Gewerkschaften lehnen das vom rot-grünen Senat beschlossene Hamburger Vergabegesetz als Mogelpackung strikt ab. Nachdem zuletzt bereits der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Entwurf scharf kritisiert hatte, legten am Donnerstag die Gewerkschaften IG BAU, NGG und Verdi nach. «Es muss reichlich Beamtenschweiß gekostet haben, so ein Gesetz in die Welt zu setzen, das nur ein Ziel hat: Schlupflöcher zu schaffen, damit Tarifvereinbarungen in Hamburg keine Rolle spielen, wenn der Staat Menschen für sich arbeiten lässt», erklärte IG BAU Bezirksvorstand Alexander Kahl. Was Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) vorgelegt habe, sei ein «politischer Show-Act».
NGG-Geschäftsführerin Silke Kettner betonte: «Es ist deshalb höchste Zeit, klipp und klar zu sagen, dass Hamburg das neue Vergabegesetz so nicht schlucken darf.» Ähnlich äußerte sich Hamburgs Verdi-Chefin Sandra Goldschmidt: «Es steht zwar Tariftreue drüber, aber es ist nicht Tariftreue drin.»
Konkret kritisieren die Gewerkschaften, dass der rot-grüne Senat Dienstleistungen erst ab einer Auftragshöhe von 100.000 Euro und Bauleistungen ab 150.000 Euro unter das Vergabegesetz zwingen will. «Das ist eine Farce», klagte der Tariftreue-Beauftragte der IG BAU, Matthias Maurer. Dann fielen die Arbeiten von Hamburger Handwerkern reihenweise durch die Maschen des Vergabegesetzes. «Jede Sanierung von Schultoiletten rutscht so unterm Radar durch.»
Ähnlich äußerte sich die NGG-Geschäftsführerin Kettner: «Konkret bedeutet das, dass Kantinenessen, Caterings & Co. weiter munter nach dem «Geiz-ist-geil-Prinzip» vergeben werden können.» Niemand achte dann darauf, ob die Menschen, die in der Küche stehen und die Brötchen schmieren, auch den fairen Tariflohn bekämen oder mit dem Mindestlohn abgespeist würden. «Gerade von einem SPD geführten Senat müsste man erwarten können, dass er sowas nicht durchgehen lässt», sagte Kettner. Sowohl die NGG als auch die IG BAU forderten, die Auftragssummen deutlich zu senken. In Berlin etwa liege sie bei 10 000 Euro, im Saarland bei 25.000 Euro.
Verdi-Chefin Goldschmidt forderte umfangreiche Nachbesserungen: «Eine echte Tariftreue, deutlich niedrigere Schwellenwerte, auch die verbindliche Übernahme der Beschäftigten bei der Neuvergabe im ÖPNV fehlt.» Alle Bundesländer mit Tariftreueregelungen hätten bessere Gesetze als dieses. «Der Anspruch des Senates, der so gerne von Hamburg als «Stadt der Guten Arbeit» spricht, muss es sein, das beste Tariftreuegesetz zu haben, nicht das schlechteste.»
Dressel hatte bei der Präsentation des reformierten Vergabegesetzes erklärt, dass nur derjenige einen öffentlichen Auftrag erhalten solle, der nach Tarif bezahle. «Mit den geplanten Änderungen des Hamburger Vergabegesetzes nutzen wir die rechtlichen Handlungsspielräume insbesondere, um eine gerechte Entlohnung im Rahmen der Durchführung öffentlicher Aufträge zu gewährleisten - ein Einstieg in echte Tariftreue-Regelungen auch bei uns in Hamburg.» Gleichzeitig kündigte Dressel an, dass das Vergaberecht im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen unter 100.000 Euro entbürokratisiert werden solle.