23. Juni 2025 – dpa

Verfassungsschutzbericht

Nahost-Konflikt treibt Extremisten in Hamburg an

Die Zahl der als extremistisch eingestuften Straftaten ist in Hamburg im vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen. Die Zahl der Extremisten stagniert aber laut Verfassungsschutzbericht.

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Der Nahost-Konflikt wirkt sich auf die Extremisten-Szene in Hamburg aus. , Foto: Marcus Brandt/dpa

Der eskalierende Nahost-Konflikt wirkt sich in Hamburg auf nahezu alle extremistischen Bereiche aus. Im vergangenen Jahr habe es eine Vielzahl von Aktionen, Protesten und auch niederschwelliger Straftaten gegeben, «die dann häufig mit einem israelfeindlichen, antisemitischen Bezug verbunden waren», sagte Innensenator Andy Grote (SPD) bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts. «Das ist auch der Haupttreiber für den Anstieg im Bereich der Zahlen der politisch motivierten Kriminalität.»

Während sich die Zahl der als extremistisch eingestuften Straftaten im vergangenen teils vervielfacht hat, stagnierte das Personenpotential in den verschiedenen Extremismusbereichen.

Die größte Gruppe bilden dem Bericht zufolge mit 1.900 Personen in Hamburg nach wie vor die Islamisten (2023: 1.840), vor den Linksextremisten, denen 1.050 Personen (2023: 1.060) zugerechnet werden. Das Personenpotential der Rechtsextremisten blieb mit 400 (2023: 390) ebenfalls nahezu unverändert - wie auch das der Reichsbürger und Selbstverwalter, denen in Hamburg 340 (340) Personen zugerechnet werden.

Dennoch geht nach Ansicht von Innensenator Grote vom Rechtsextremismus nach wie vor die größte Gefahr für die Demokratie aus. Zwar biete auch der Islamismus ein hohes Bedrohungspotential aus, die Gefährdung sei mit Blick auf eine mögliche Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aber geringer.

Die Zahl der extremistischen Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität mit ausländischem ideologischem Hintergrund stieg im Vergleich zum Vorjahr von 63 auf 205. Das ist ein Plus von über 225 Prozent. Die Zahl der Gewaltdelikte verzehnfachte sich in diesem Zeitraum nahezu von 4 auf 37.

Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität mit religiösem Hintergrund wurden im vergangenen Jahr 188 von 192 Taten als extremistisch eingestuft - das waren 240 Prozent mehr als im Vorjahr.

Mit mehr als doppelt so vielen Gewaltdelikten wie noch 2023 nahmen auch die Delikte mit rechtsextremistischem Hintergrund deutlich zu: 116 Gewaltdelikte wurden verzeichnet (2023: 55). Von den insgesamt 1.350 (738) dem rechtsextremen Bereich zugeordneten Straftaten wurden 1.272 (716) als extremistisch eingestuft.

Auch beim Linksextremismus gab es einen Anstieg, aber auf deutlich niedrigerem Niveau: Von 564 (379) Straftaten wurden 156 (137) als extremistisch eingestuft. Die Zahl der Gewaltdelikte sank hingegen von 23 auf 16.

Neu auf der Beobachtungsliste des Hamburger Verfassungsschutzes ist die Gruppe «Thawra! Hamburg», die nach Angaben des Leiters des Landesamts für Verfassungsschutz, Torsten Voß, als gesichert extremistisch eingestuft wurde und damit Eingang in den nächsten Verfassungsschutzbericht finden wird.

Die Gruppe, die im vergangenen Jahr das propalästinensische Protestcamp an der Moorweide mitorganisiert hatte, sei von deutlichem Antisemitismus, der Ablehnung des Existenzrechts Israels und durch die Zusammenarbeit mit linksextremistischen Gruppen geprägt, sagte er.

Grote lobte die Arbeit des Landesamtes. Der Verfassungsschutz sei die «erste Verteidigungslinie der Demokratie», indem er frühzeitig auf Gefahren hinweise. Die Bedeutung bilde sich auch in der personellen Ausstattung ab, die in den vergangene Jahren auf knapp 220 Mitarbeitende angewachsen sei.

«Der erschreckende Anstieg rechtsextremistischer Straftaten bestätigt, dass die Hetze von Rechtsextremist*innen in reale Gewalt umschlägt», kommentierte die Vorsitzende der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Sina Imhof, die Zahlen. «Gleichzeitig bleibt der Islamismus die größte unmittelbare Bedrohung für unsere alltägliche Sicherheit, mit wachsendem Gefährdungspotenzial – auch aufgrund der Lage im Nahen Osten.»

Die Zahlen zeigten, dass die Bekämpfung jeglicher Form von politischen, religiösen oder sonstigem Extremismus unverzichtbar sei, sagte der Innenexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator. «Zur Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum Schutz der Bevölkerung ist ein starker Verfassungsschutz unerlässlich, der weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind ist, seine gesetzlichen Aufgaben erfüllt und hierfür auch entsprechend ausgestattet sein muss.»

Sein Linken-Kollege Deniz Celik sah die Ansicht des Innensenators durch den Anstieg der rechtsextremen Gewalttaten bestätigt: «Die größte Gefahr für die Demokratie kommt von rechts.» Doch der Verfassungsschutzbericht bleibe in seiner Analyse schwammig: «Die Radikalisierung durch rechte Netzwerke, die Verbreitung menschenfeindlicher Ideologie in der Mitte der Gesellschaft und die Rolle der AfD als geistige Brandstifterin werden verharmlost oder ausgeklammert», sagte er.

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann, dessen Partei in Hamburg erneut keinen Eingang in den Verfassungsschutzbericht gefunden hat, verwies auf die Zusammenarbeit migrantisch geprägter Gruppen wie «Thawra! Hamburg» mit Teilen der Linksextremisten wie dem «Roten Aufbau». «Ausländische Antisemiten und Linksextremisten gehen in Hamburg nun Hand in Hand – das ist eine brandgefährliche Entwicklung», sagte er.

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