08. November 2025 – dpa

Großes Netzwerk

Prozess in Bielefeld: Schleuserbande vor Gericht

Touristenvisa, Bordelle, Rotationsprinzip: Die Anklage gegen eine bundesweite Gruppe offenbart, wie Frauen und Transsexuelle aus Thailand in Deutschland systematisch ausgebeutet wurden.

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Am Landgericht Bielefeld beginnt jetzt ein Prozess gegen eine Schleuserbande, die Frauen aus Thailand geholt haben. (Archivbild)

Sie reisten mit Touristenvisa ein und mussten dann über Jahre ihre Schulden in Bordellen in Deutschland abarbeiten. Vor dem Landgericht Bielefeld steht ab Dienstag (11.11.) eine Gruppe, die Frauen und Transsexuelle aus Thailand gewerbs- und bandenmäßig in die Bundesrepublik geschleust hat. Dabei wurden Summen zwischen 18.000 und 36.000 Euro für die Flugreisen fällig. Laut Staatsanwaltschaft war den zehn Angeklagten aus Löhne, Bad Oeynhausen, Minden und Bünde (alle Nordrhein-Westfalen) sowie Hamburg, Rostock und Frankfurt klar, dass die Opfer keine eigenen Einnahmen haben werden und durch ihren illegalen Aufenthaltsstatus in Deutschland in Abhängigkeitsverhältnis entstehen würde.

Die Angeklagten im Alter zwischen 29 und 64 Jahren hatten dabei unterschiedliche Rollen. Zum Teil haben sie das Netzwerk organisiert, zum Teil waren sie Fahrer und Kuriere oder sie haben auch Bordelle betrieben.

Laut den Ermittlungen hatte eine heute 57 Jahre alte Angeklagte aus Löhne in Ostwestfalen Anfang 2018 damit angefangen, Frauen und Transsexuelle aus Thailand in Deutschland als Prostituierte arbeiten zu lassen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich in der Bundesrepublik ein Netz aus verschiedenen Thai-Bordellen. Vor Ort gab es laut Anklage immer eine verantwortliche sogenannte Puffmutter als Betreiberin. Auch in Thailand war das Netzwerk vertreten. Dort akquirierten die Beteiligten die Opfer und besorgte die Touristenvisa.

In Deutschland musste die Frauen und Transsexuellen dann die Gebühren für das Schleusen nach Europa durch Prostitution abarbeiten. Bei den Einnahmen galt das sogenannte 50:50-Modell. Die Frau aus Löhne bekam die eine Hälfte, die Puffmutter die andere. Ausgaben für Lebensmittel und Hygieneartikel mussten die Opfer noch zusätzlich zu den Schulden abbezahlen.

Sobald die Einnahmen durch die Prostituierten nachließen, wurden sie in andere Bordelle gebracht. Hier setzte die Bande, zu der teilweise Familienangehörige mit Tochter und Lebensgefährten zählten, das in der Szene bekannte Rotationsprinzip ein. Bordelle gab es neben anderen Standorten auch in Hamburg, Weimar (Thüringen), Lüneburg (Niedersachsen) und Bünde (NRW).

Laut den Ermittlungsergebnissen wurden den Opfern die Pässe abgenommen. Dazu kamen fehlende Orts- und Sprachkenntnisse. Ihnen wurde jegliche Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit geraubt, so die Überzeugung der Ermittlungsbehörden. Die Situation selbst zu beenden, sei den Frauen und Transsexuellen nicht möglich gewesen. Sollte der Schuldenabbau doch einmal gelingen, musste die Opfer wöchentliche Mietzahlungen von 500 bis 600 Euro leisten.

Bis Ende April hat das Landgericht Bielefeld 29 Prozesstage angesetzt.

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