03. November 2025 – dpa
Der Fall machte Schlagzeilen über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus: An einem Sonntag im Juni soll sich ein junger Mann in einer Straßenbahn selbst angezündet haben. Jetzt steht er vor Gericht.
Weil er sich in einer Straßenbahn Benzin über das Bein geschüttet und sich angezündet haben soll, steht ein junger Mann vor dem Landgericht Schwerin. Er wurde bei dem Zwischenfall am 29. Juni schwer verletzt und musste in einer Spezialklinik in Lübeck behandelt werden, wie es zum Auftakt des sogenannten Sicherungsverfahrens am Montag hieß.
Möglicherweise habe der Beschuldigte im Zustand paranoider Schizophrenie gehandelt, sagte die Staatsanwältin. Sollte das Gericht das so sehen, würde der junge Mann aus Algerien dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Der Beschuldigte - sein Geburtsjahr ist in den Akten mit 2001 angegeben, er selbst nannte im Gerichtssaal 1995 - soll schon einmal in einer Klinik in psychiatrischer Behandlung gewesen sein, wie es in der Verhandlung hieß.
Einige Stunden vor der Tat soll er sich überdies in einer Bar in der Schweriner Innenstadt selbst verletzt haben. Von der Notaufnahme der Helios Klinik, in der er wegen der Schnittverletzung am Arm behandelt wurde, soll er dann an jenem Sonntagmorgen gegen 8.00 Uhr zu einer nahe gelegenen Tankstelle gegangen sein.
Dort hat er laut Polizei-Ermittlungen eine Bierflasche mit Benzin befüllt, bis ein Mitarbeiter der Tankstelle nach 0,2 Liter den Notknopf drückte. Dann sei der Beschuldigte zur nächsten Straßenbahnhaltestelle gegangen und in die Bahn gestiegen.
Die von der Tankstelle alarmierte Polizei stoppte die Straßenbahn auf ihrem Weg in die Innenstadt. Die Überwachungskamera hielt den Fall fest, das Video wurde in der Verhandlung abgespielt. Danach zündete der Beschuldigte, der gleich am Eingang des ersten Wagens saß, sein unmittelbar zuvor mit Benzin übergossenes Bein an, als der erste Polizist die Bahn betrat.
Dem Beamten schlug ein Feuerball entgegen, dessen Ausbreitung glücklicherweise durch die Plexiglasscheibe gestoppt wurde, die den Eingang von der ersten Sitzreihe zum Schutz vor Zugluft trennt. Der Polizist, ein Ex-Soldat mit Afghanistan-Erfahrung, zog sich sofort zurück. Kurz darauf sprang der Beschuldigte aus der Bahn, ein anderer Polizist löschte die Flammen an dem Mann und im Eingangsbereich der Bahn. Der erste Beamte sagte als Zeuge aus, er sei dankbar, dass die Scheibe da war. Anderenfalls hätte er mit Sicherheit Verletzungen im Gesicht erlitten.
Ein Brandgutachter sagte in der Verhandlung, der Polizist könne insbesondere dem Tankstellen-Mitarbeiter danken, der die Zapfsäule so schnell gesperrt habe. Wäre die doppelte Menge Benzin in der Flasche gewesen, wäre die Kraft des Feuerballs wohl so groß gewesen, dass die Scheibe geborsten wäre. Weiter sagte der Sachverständige, dass von allen Beteiligten eine Passagierin in größter Gefahr gewesen sei, die laut Überwachungskamera nur einen Meter hinter dem Beschuldigten saß.
Von einem Terrorverdacht gehen die Ermittler nicht aus, sondern von einer psychischen Ausnahmesituation, wie in der Verhandlung deutlich wurde. Der Beschuldigte ist nach Angaben seines Verteidigers wegen Diebstahls vorbestraft und sitzt seit dem Fall in der Straßenbahn in Untersuchungshaft. An der Straßenbahn entstand laut Staatsanwaltschaft ein Sachschaden von 10.000 Euro. In dem Verfahren sind vier weitere Termine bis Ende November geplant.