02. September 2025 – dpa
Mehr als die Hälfte der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern findet keine passenden Azubis. Die Kammern fordern jetzt Reformen und gezielte Unterstützung für die duale Ausbildung.
Trotz leichter Zuwächse bei den Vertragsabschlüssen sind auch zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres in den Unternehmen Mecklenburg-Vorpommerns viele Lehrstellen unbesetzt geblieben. Bis Ende August seien bei den drei Industrie- und Handelskammern im Land 4.316 Ausbildungsverhältnisse eingetragen gewesen. Es gebe die begründete Hoffnung, dass bis in den Herbst hinein weitere hinzukommen. «Ein Last-Minute-Beginn ist immer noch möglich», betonte Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg in Schwerin.
Nach seinen Angaben zeigte die jüngste Ausbildungs- und Azubi-Umfrage der drei Kammern, dass bei immer mehr Betrieben Lehrstellen unbesetzt bleiben. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil von 43 auf 50 Prozent. 57 Prozent der Betriebe mit Vakanzen gaben an, dass ihnen keine geeigneten Bewerbungen vorlagen. Bei gut einem Drittel der Firmen sei überhaupt keine Bewerbung eingegangen, teilte Haasch weiter mit. Zudem würden viele Firmen unvermindert Defizite bei schulischen Kenntnissen, insbesondere beim Rechnen, und mangelnde Belastbarkeit beklagen.
Doch habe die Befragung auch ergeben, dass die Zufriedenheit der Jugendlichen mit ihren Ausbildungsbetrieben ausgesprochen hoch sei und 84 Prozent der Befragten diese auch weiterempfehlen würden. «Das werten wir als klares Zeichen für die große Akzeptanz der dualen Ausbildung», erklärte der Sprecher der drei Industrie- und Handelskammern. Nach seinen Angaben stammt inzwischen etwa jeder sechste Azubi im ersten Lehrjahr aus dem Ausland, die bürokratischen Hürden für deren Einstellung seien aber weiter hoch.
Haasch appellierte an die Landesregierung, die Berufsorientierung in den Schulen zu stärken, die Berufsschulen in der Fläche zu erhalten und digitale Lernformen auszubauen. Damit könne erreicht werden, dass Jugendliche in ihrem Umfeld eine Ausbildung erhalten können, ohne weite Strecken fahren zu müssen. In einigen Regionen seien Lehrlinge auf das Auto angewiesen, da der Nahverkehr lückenhaft sei. Eine finanzielle Unterstützung der Betroffenen sei dringend geboten.
Zudem mahnte Haasch die Sicherung des Bedarfs an Berufsschullehrern an. Oft sei der Stundenausfall so hoch, dass die Zeit kaum ausreiche, um das erforderliche Fachwissen zu vermitteln. Die Industrie- und Handelskammern forderten konkrete Anpassungen im Schulgesetz und in den Förderregelungen, um die Attraktivität der dualen Ausbildung nachhaltig zu sichern, betonte er.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren zu Beginn des neuen Lehrjahres in MV insgesamt noch rund 2.200 Ausbildungsplätze als unbesetzte gemeldet. Offene Stellen gab es demnach insbesondere in Handel, Gastronomie, Hotelgewerbe und Handwerk. Dem gegenüber standen 1.625 Bewerberinnen und Bewerber, die noch keinen Ausbildungsvertrag hatten.
Wie Industrie und Handel sucht auch das Handwerk in MV noch Fachkräftenachwuchs. Nach Angaben der beiden Kammern haben zum offiziellen Ausbildungsstart am 1. September landesweit 1.790 junge Leute einen Lehrvertrag abgeschlossen. Dies bedeutete im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um acht Prozent. Allerdings waren rund 620 der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk des Landes ebenfalls noch unbesetzt.
Vor allem in Ostdeutschland hat der Geburtenknick nach dem Ende der DDR für einen drastischen Rückgang der Berufseinsteigerzahlen gesorgt. Während im Jahr 2005 im Handwerk rund 3.600 Schulabgänger eine Lehre aufnahmen und kaum Stellen frei blieben, sank die Zahl der Neueinsteiger auf 1.800 im Jahr 2015. Ähnlich sieht die Tendenz in Industrie, Handel und im Gastgewerbe aus.