12. November 2025 – dpa
Seit mehr als einem Jahrzehnt ruht der Weiterbau der Autobahn 20 nahe Bad Segeberg. Nun haben sich der BUND und das Land Schleswig-Holstein geeinigt. Was vereinbart wurde.
Der Bau der Autobahn 20 kann nach einem Kompromiss mit dem Umweltverband BUND auf einem Teilstück bei Bad Segeberg fortgesetzt werden. Seit Jahren hatte es bei dem Verkehrsprojekt im Streit um Umweltfragen keinen Fortschritt mehr gegeben. Das Land Schleswig-Holstein und der BUND einigten sich jetzt auf mehr Fledermausschutz rund um die als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands geltenden Kalkberghöhen in Bad Segeberg. Die mehrjährigen Arbeiten könnten damit nach Einschätzung der Infrastrukturgesellschaft Deges im ersten Halbjahr 2026 beginnen. Politik und Wirtschaft reagierten erleichtert.
«Aus meiner Sicht wirklich ein historischer Tag für Schleswig-Holstein», sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). «Damit lösen wir unser Versprechen ein, die Menschen in und um Bad Segeberg von Lärm, Abgasen und Autokolonnen zu erlösen.»
Geplant ist nach Angaben des BUND die Gründung einer mit 14 Millionen Euro Kapital ausgestattete Landesstiftung Fledermausschutz, um weitgehende Schutzmaßnahmen für die bedrohten Tiere umzusetzen. Das Geld stellt das Land bereit. Außerdem sind in der Vereinbarung weitere Schritte festgeschrieben, etwa zum Schutz der Hangwälder an der Trave und der seltenen Kalktuffquellen sowie zum Otterschutz. Geplant ist zudem eine ständige Kontrolle des Tempolimits von 60 Kilometern pro Stunde auf Streckenabschnitten der A20 und A21.
Im Gegenzug wird der BUND seine im Mai eingereichte Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Bau des zehn Kilometer langen A20-Abschnitts von Weede bis Wittenborn zurückzuziehen. «Unsere Klage hätte wieder gute Erfolgschancen gehabt, aber bis zur Gerichtsentscheidung wären vermutlich Jahre vergangen – Jahre, in denen die Flugkorridore der Fledermäuse weiter zugebaut werden und weitere Tiere sterben», sagte der BUND-Landesvorsitzende Dietmar Ulbrich.
Vor knapp 16 Jahren hatten der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und sein Verkehrsminister Jost de Jager (beide CDU) bei Bad Segeberg das bislang letzte Teilstück der sogenannten Küstenautobahn für den Verkehr freigegeben. Das war der 6,3 Kilometer lange Abschnitt zwischen Weede und Geschendorf.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) spricht von einem der wichtigsten Autobahnprojekte in Deutschland. «Ich begrüße die Einigung – sie ist ein wesentlicher Schritt, damit wir dieses bedeutende Vorhaben nun endlich umsetzen können.» Klar sei, sobald es bestandskräftiges Baurecht gebe, werde sich der Bund unmittelbar um die Finanzierung kümmern.
«Der Koalitionsausschuss hat sich im Oktober darauf verständigt, drei Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität zusätzlich für die Bundesfernstraßen zu mobilisieren, um Potenziale für Projekte des Bundesfernstraßennetzes zu erschließen – für Erhalt sowie Neu- und Ausbau.» Alles was baureif sei, werde gebaut. «Mein Haus plant, Baufreigaben für alle Projekte, die baureif sind, sehr zeitnah zu erteilen, sobald sich der Haushalt konkretisiert hat. Dies gilt auch für die A 20.»
Noch endet die A20 östlich von Bad Segeberg. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht den Weiterbau. Die Richter sahen den Fledermausschutz als nicht ausreichend beachtet an. Als Folge des Urteils entschieden sich die Planer für den Bau von Tunneln und Leitstrukturen wie Schutzwände, damit die Fledermäuse nicht mit Lastwagen kollidieren. Günther verwies darauf, dass von den 112 Kilometern A20 auf schleswig-holsteinischem Boden erst 39 Kilometer fertig sind.
Segebergs Bürgermeister Toni Köppen betonte, die Menschen in der Stadt der Karl-May-Spiele hätten diesem Tag sei vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten entgegengesehen. «Für Bad Segeberg bedeutet das, dass die Stadt zusammenwachsen kann, dass die Stadt sich wirtschaftlich entwickeln kann und dass wir endlich wieder Kurstadt sein dürfen, was man ja zumindest in den letzten Jahren bezweifeln konnte.»
Die jetzige Bundesstraße werde perspektivisch zurückgestuft, wenn die Autobahn fertig ist. «Und das ermöglicht uns eine städtebauliche Entwicklung, die wir uns heute und in den letzten Jahrzehnten nicht hätten vorstellen können.» Das Bild der Stadt werde sich zum Guten verändern. «Wenn Kommunen, Land und Bund an einem Strang ziehen, kann Bewegung entstehen – selbst bei Themen, die über Jahre festgefahren schienen», sagte Köppen.
Ein Zehntel der erwarteten Baukosten der mehr als eine halbe Milliarde Euro teuren sogenannte Südumfahrung von Bad Segeberg hängen nach früheren Angaben der Deges mit Naturschutzbelangen zusammen. Statt bislang mehr als 33.000 Fahrzeugen pro Tag, darunter allein 3.000 Lastwagen, würden dank A20 künftig nur noch 13.600 über die Bundesstraße 206 mitten durch Bad Segeberg rollen.
Der Präsident der Unternehmensverbände Nord, Philipp Murmann, regierte erleichtert. «Der Knoten ist nach 16 Jahren Stillstand endlich geplatzt!» Die Wirtschaft im Norden sei auf leistungsfähige Verkehrswege angewiesen. «Der Weiterbau der A20 stärkt den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit.» Die A20 sei als Ost-West-Verbindung für alle nördlichen Bundesländer von überragender Bedeutung. Der Präsident der IHK Schleswig-Holstein, Thomas Buhck, sprach von einem Meilenstein in der schleswig-holsteinischen Verkehrs- und Wirtschaftsentwicklung.
Der Kieler Oberbürgermeister und designierte Spitzenkandidat der SPD für die nächste Landtagswahl, Ulf Kämpfer, betonte, es sei gut, dass es mit der A20 endlich weitergehen könne. «Viel zu lange warten die schleswig-holsteinische Wirtschaft, das Hamburger Umland und speziell die Bad Segeberger auf den Weiterbau.»
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Lukas Kilian, unterstrich die Rolle von Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU), dem mit Verhandlungsgeschick gelungen sei, woran sich einige Vorgänger die Zähne ausgebissen hätten. Lob bekam der Verkehrsminister auch vom Ministerpräsidenten und den Vertretern der Wirtschaft.
Madsen selbst betonte die Notwendigkeit, bei schwierigen Themen miteinander zu sprechen und Lösungen zu suchen. In dieser Hinsicht könne man sich den dänischen Weg zum Vorbild nehmen. Dabei erhält er Unterstützung vom Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Lasse Petersdotter. «Tragfähige Kompromisse sind möglich, wenn wir miteinander statt gegeneinander reden.» Umweltverbände sollten immer frühzeitig eingebunden werden.