21. November 2020 – dpa
Dass Kinder sich an der Schaufensterscheibe des Spielzeugladens die Nasen platt drücken, mutet schon beinahe nostalgisch an. Fast die Hälfte aller Spielsachen werden heute im Internet gekauft. Was wird aus den Fachgeschäften in MV?
Schwerin/Wittenburg/Köln (dpa/mv) - Fast die Hälfte aller Spielsachen sind im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland im Internet gekauft worden. In den Fachgeschäften wurde nur noch gut jeder fünfte Euro ausgegeben, wie der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels schätzt. Für die Spielzeugläden in den Städten wachsen damit die Probleme. Gelöst werden sie auf unterschiedliche Weise.
Die Schweriner Spielzeug-Institution Lirumlarum mit zwei Geschäften, einem in der Innenstadt und einem im Schlosspark-Center, baut gerade zusätzlich einen Internet-Versandhandel auf. Die Idee sei während des Shutdowns im Frühjahr entstanden, um dem Geschäft ein weiteres Standbein zu verschaffen, sagt Mitarbeiter Henri Laaß. Dass immer mehr Menschen Spielsachen im Internet kaufen, hätten sie aber auch schon vor Corona gemerkt. Ja, es werde schwieriger, sagt Laaß. Aber es kämen auch Kunden, die extra im Laden kauften, um den Einzelhandel in der Stadt zu unterstützen.
Bei Deja Spielwaren in Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) ist hingegen Ende des Jahres Schluss. «Das Geschäft ist nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben», sagt Inhaber Hans-Joachim Deja (69) und verweist auf den zunehmenden Einkauf im Netz. «Das ist so schön bequem. Man bestellt mit einem Klick, wenig später ist die Ware da und kann am Tag danach wieder zurückgeschickt werden.» Andere Kunden wollten in die großen Shopping-Center und einen Erlebniseinkauf haben. Da blieben Fachgeschäfte in den Innenstädten, zumal in den kleineren, auf der Strecke. Viele seiner Kollegen im Land hätten schon aufgegeben. Er sei einer der letzten seiner Zunft, sagt Deja.
Hans-Joachim Deja hat seinen Spielzeugladen in der Großen Straße von Wittenburg 28 Jahre lang betrieben. Modellbahnen, später Gameboys und Spielekonsolen, auch Dreiräder seien Renner gewesen, erzählt er. Der Abwärtstrend habe mit der Einführung des Euro begonnen, erinnert sich der Händler. «Da blieben die Preise wie zu D-Mark-Zeiten.» Der Umsatz sei abgerutscht. Zeitweise habe er zwei Mitarbeiter beschäftigt, seit 2007 stehe er allein im Laden. Nun sei Schluss.
Neun Spielwaren-, Modellbahn- und Modellbaugeschäfte in Mecklenburg-Vorpommern haben sich dem Einkaufsverband Spiel und Idee angeschlossen. Mehr als 650 sind es nach Angaben des Verbandes insgesamt in Deutschland, Italien, Belgien und Österreich. Über den Zusammenschluss können die oft kleinen Einzelhändler zum Beispiel bessere Einkaufskonditionen bekommen, als wenn jeder für sich beim Hersteller ordern würde. Stefan Hellwig hat sich mit seinem Modellbahn-Laden Schaft in Rostock angeschlossen. Er ist optimistisch für die Zukunft, auch deshalb, weil sein Segment recht beratungsintensiv ist, wie er sagt.
Der Trend zum Internethandel bei Spielwaren hat in den vergangenen Jahren laut Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels zugenommen. Im Jahr 2018 lag der Anteil am Gesamtumsatz noch bei etwa 40 Prozent, für 2019 gehen die Experten von 43 Prozent aus, für das erste Halbjahr 2020 von 48 Prozent. Im gleichen Zuge verlor der stationäre Fachhandel von 28 Prozent im Jahr 2018 auf geschätzte 21 Prozent im ersten Halbjahr 2020. Für den Gesamtumsatz des Spielwaren-Einzelhandels in Deutschland ist der Verband aber optimistisch. Er geht in diesem Jahr von einem Plus von fünf Prozent aus, wie eine Sprecherin sagte.