12. Oktober 2025 – dpa
Die Volksinitiative «Hamburger Zukunftsentscheid» hat den Volksentscheid zu mehr Klimaschutz gewonnen. Welche Maßnahmen und Einschnitte laut Gutachten auf die Hansestadt zukommen.
Die Hamburgische Bürgerschaft und der rot-grüne Senat müssen die Klimaneutralität der Stadt um fünf Jahre auf 2040 vorziehen. Bei einem Volksentscheid am Sonntag entschieden sich mehr als 300.000 Bürgerinnen und Bürger für strengere Klimaschutzziele. Mehr als 267.000 votierten dagegen, wie das Landeswahlamt mitteilte. Die Abstimmungsbeteiligung lag nach bisherigen Zahlen bei 43,6 Prozent.
Der «Hamburger Zukunftsentscheid» ist der erste aus der Bevölkerung hervorgegangene erfolgreiche Volksentscheid seit 2013. Damals hatten sich die Hamburgerinnen und Hamburger gegen den Willen des Senats für einen Rückkauf der Energienetze entschieden. Danach kam nur noch 2015 das gescheiterte Olympiareferendum, das jedoch vom Senat initiiert worden war.
Die Aktivistin Luisa Neubauer begrüßte den erfolgreichen Volksentscheid für eine frühere Klimaneutralität. Während die Bundesregierung in Sachen Klima den Rückwärtsgang einlege, gehe Hamburg nach vorne, schrieb Neubauer (29) auf der Plattform X. «Wir haben Geschichte geschrieben», meinte die gebürtige Hamburgerin, die für den Volksentscheid geworben hatte.
Landesregierung und Parlament müssen nun das Klimaschutzgesetz ändern und den von der Volksinitiative «Hamburger Zukunftsentscheid» vorgelegten Gesetzentwurf umsetzen. Dabei sollen unter anderem jährliche Zwischenziele verabredet und durch ein regelmäßiges Monitoring überprüft werden. Sollten diese nicht erreicht werden, müsse mit Sofortprogrammen gegengesteuert werden.
Der Plan sieht jährliche Obergrenzen für den CO2-Ausstoß vor. Konkrete Ziele für einzelne Sektoren wie Verkehr, private Haushalte Gewerbe oder Industrie ergeben sich dem Gesetzentwurf zufolge aus dem Klimaplan der Stadt, der regelmäßig fortgeschrieben wird.
Auch Sozialverträglichkeit ist ein Anliegen der Initiative. So dürfen dem Gesetzentwurf zufolge die Kosten etwa für die energetische Sanierung von Wohnraum nur begrenzt an Mieterinnen und Mieter weitergereicht werden. Vermieter wiederum sollen durch Förderprogramme entlastet werden.
Die Volksinitiative war von der Klimabewegung Fridays for Future angestoßen worden. Zuletzt wurde sie von mehr als 160 Sozialverbänden, Wirtschaftsunternehmen und Kultureinrichtungen unterstützt, darunter die Umweltverbände BUND, Greenpeace und Nabu, die Gewerkschaft Verdi und der FC St. Pauli. Ebenfalls Befürworter waren die Hamburger Kunsthalle, das Schauspielhaus und der Mieterverein Hamburg.
Der Senat und mit Ausnahme der Linken alle Bürgerschaftsfraktionen waren gegen eine Verschärfung der Klimaschutzziele. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kündigte unter Hinweis auf die Verfassung und die Rechtslage die Umsetzung des Zukunftsentscheids an. Der Senat werde den Hamburger Klimaplan an die neuen Vorgaben anpassen. Es gelte eine Übergangsfrist von zwei Jahren.
Schritte und Konsequenzen, die sich aus einem geänderten Klimaschutzgesetz ergeben, werde der Senat prüfen. Der Senat werde auch die Maßgabe der Initiative beachten, dass Klimaschutz bezahlbar und sozialverträglich erfolgen müsse.
Allerdings könne das Ziel der Initiative «Hamburger Zukunftsentscheid», die Klimaneutralität der Stadt von 2045 auf 2040 vorzuziehen, nur erreicht werden, wenn entsprechende Voraussetzungen auf Bundesebene geschaffen würden. Dafür werde sich der Senat konsequent einsetzen.
CDU-Oppositionschef Dennis Thering warnte dagegen vor den Folgen des Volksentscheids. «Durch das Zustandekommen des sogenannten Zukunftsentscheids wird ein Kurs eingeschlagen, der unserer Stadt in vielerlei Hinsicht schadet.» Er sieht unter anderem die Gefahr für steigende Mieten und warf Tschentscher und der SPD vor, diesen Volksentscheid unterschätzt zu haben. «Die Strategie, darauf zu hoffen, dass das Quorum nicht erreicht wird, hat sich als teurer Irrglaube herausgestellt.»
Wirtschaftsverbände warnten vor Jobverlusten. «Produktionsverlagerungen und Arbeitsplatzabbau unserer im weltweiten Wettbewerb stehenden Unternehmen lassen sich nun nicht mehr ausschließen», sagte der Vorstandvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Andreas Pfannenberg. Ähnlich äußerte sich der Präses der Handelskammer, Norbert Aust. Der Präsident der Handwerkskammer, Hjalmar Stemmann, sagte, die Betriebe müssten sich auf Unsicherheiten einstellen, die Investitionen in den Standort hemmten. Die wirtschaftliche Lage sei ohnehin schwierig.
Einem Gutachten des Hamburg Instituts und des Öko-Instituts im Auftrag der Stadt zufolge kommen nun deutliche Veränderungen auf die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu. So müssen bis 2040 alle Gas- und Ölkessel in Wohn- und Nichtwohngebäuden ausgetauscht werden – bei gleichzeitiger Stilllegung des gesamten Gasnetzes. Im Wohnungsbau müsse die Sanierung erheblich beschleunigt und der Einbau von mit erneuerbaren Energien betriebenen Heizsystemen wie Wärmepumpen schon jetzt stärker vorangetrieben werden.
Im Verkehr wiederum müsse in der ganzen Stadt Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit eingeführt und der Pkw-Verkehr deutlich reduziert werden. Ferner bedürfe es der Einrichtung von Umweltzonen im Hafen. Für den Bereich Industrie sei es notwendig, Erdgas und Brennstoffe wie Petrolkoks und Raffinerie-Gas vollständig durch Wasserstoff und E-Fuels zu ersetzen. Die komplette Elektrifizierung der Mobilität müsse bis 2040 abgeschlossen sein.
Für den aus Sicht der Volksinitiative erfolgreichen Volksentscheid musste sie mindestens ein Fünftel der rund 1,3 Millionen Abstimmungsberechtigten überzeugen und zudem mehr Ja- als Nein-Stimmen einsammeln. Dazu waren am Sonntag von 8.00 bis 18.00 Uhr rund 185 Abstimmungsstellen geöffnet.