20. November 2025 – dpa
Die Zahl der ADHS-Diagnosen bei Erwachsenen in MV ist laut der AOK gestiegen. Dies sei keine Modeerscheinung. Mädchen werden seltener diagnostiziert als Jungen. Eine Expertin erklärt den Hintergrund.
In Mecklenburg-Vorpommern hat sich der Anteil der versicherten Erwachsenen mit ADHS-Diagnose laut einer Auswertung der Krankenkasse AOK innerhalb von zehn Jahren etwa verdreifacht. Den Angaben zufolge betrug er 2023 0,41 Prozent. 2013 waren es demnach noch 0,13 Prozent. Grund sei nicht, dass es sich um eine Modediagnose handle. Studien sprächen eher dafür, dass Fälle häufiger sichtbar werden und Betroffene häufiger gezielte Hilfe erhalten.
Bei Frauen sei die Zunahme der Diagnose besonders stark ausgeprägt. So wurden den Angaben zufolge etwa in der Altersspanne von 18 bis 24 Jahren Männer 2013 noch deutlich mehr als dreimal so häufig mit ADHS diagnostiziert als Frauen. Bis 2023 ist dieser Geschlechterunterschied den Angaben zufolge kleiner geworden. 2023 lag der Anteil bei den Männern dieser Altersgruppe bei 3,1 Prozent und bei den Frauen bei 1,3 Prozent.
«Das Dunkelfeld bei ADHS wird in Mecklenburg-Vorpommern heller», erklärte Sylvia Böhme, Psychotherapeutin bei der AOK Nordost. «Wir begrüßen, dass mehr Betroffene – insbesondere jüngere Frauen – sich Unterstützung suchen.»
Nach Aussage der Berliner Psychotherapeutin Lenka Staun hat sich in den vergangenen Jahren der Blick auf Frauen mit ADHS-ähnlichen Symptomen geschärft. «In der Vergangenheit bekamen viele junge Frauen andere Diagnosen wie Depression, Angststörungen oder Borderline. Heute prüfen die Therapeutinnen und Therapeuten konsequenter, ob ADHS die bessere Erklärung ist.»
Bei Kindern und Jugendlichen (im Alter von 3 bis 17 Jahren) sind die Diagnoseraten laut Auswertung über die Jahre eher stabil geblieben beziehungsweise bei männlichen Versicherten eher leicht zurückgegangen. 2023 lag der Anteil auf männlicher Seite bei sechs und auf weiblicher Seite bei 2,3 Prozent.
Staun erklärte: «Bei Mädchen wird ADHS viel seltener diagnostiziert, weil sie mit den klassischen, eher Jungen zugeschriebenen Symptomen – Hyperaktivität und Impulsivität – seltener auffallen.» Viele betroffene Mädchen wirkten nach außen ruhig, seien eher unaufmerksam oder verträumt. «Auch, weil bei Mädchen impulsives Verhalten gesellschaftlich viel stärker sanktioniert wird. Bei einem Mädchen, das den Unterricht nicht stört, wird dann oft nicht erkannt, dass dieses Mädchen ADHS haben könnte.»
Für die Analyse wurden laut AOK die Abrechnungsdaten der eigenen Versicherten in MV ab dem Alter von drei Jahren herangezogen. Rund jeder Vierte in MV sei bei der AOK Nordost versichert und die Daten somit annähernd repräsentativ.