21. Mai 2025 – dpa
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen mutmaßliche Mitglieder einer rechten Terrorzelle. Bei Hausdurchsuchungen wird sie auch in MV fündig. Zwei der festgenommenen jungen Männer leben im Nordosten.
Im Zuge der Ermittlungen gegen eine rechtsextreme Terrorvereinigung hat es auch in Mecklenburg-Vorpommern zwei Festnahmen gegeben. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft, die Durchsuchungen in fünf Bundesländern veranlasste, wurden in Neubukow (Landkreis Rostock) ein 16-Jähriger und in Wismar ein 18-Jähriger festgenommen. Beide würden nach Karlsruhe gebracht, wo sie voraussichtlich am Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.
Insgesamt ließ die oberste Strafverfolgungsbehörde fünf Verdächtige festnehmen. Sie seien deutsche Staatsangehörige und zwischen 14 und 18 Jahre alt, hieß es.
Den Jugendlichen wird vorgeworfen, Mitglied und in einem Fall Unterstützer einer rechtsextremistischen Terrorvereinigung zu sein, die sich selbst «Letzte Verteidigungswelle» nennt. Laut Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe geplant, mit Brandanschlägen auf Asylbewerberheime und linke Einrichtungen das demokratische System der Bundesrepublik zum Zusammenbruch bringen.
Auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft wurden allein in Mecklenburg-Vorpommern fünf Objekte durchsucht und dort Beweismaterialien beschlagnahmt. Insgesamt seien mehr als 220 Polizeibeamte an den Festnahmen und Durchsuchungen beteiligt gewesen.
Parallel zu diesen Aktionen ließen die Staatsanwaltschaften Rostock und Schwerin weitere Durchsuchungen in sechs Objekten in Wismar, Neuburg bei Wismar und Kronskamp südlich von Rostock vornehmen.
Die Ermittlungen richteten sich laut Staatsanwaltschaft gegen eine Gruppe, in der rechtsextreme Inhalte getauscht und zu Straftaten aufgerufen wurde. Auch gefährliche Körperverletzung und gemeinschädliche Sachbeschädigung gehören zu den Vorwürfen. Bei den Mitgliedern dieser Gruppe handele es sich mehrheitlich um Heranwachsende und vereinzelt um Jugendliche. Festnahmen von Mitgliedern dieser Gruppe habe es nicht gegeben, hieß es.
Bei den Durchsuchungen seien Computertechnik, Handys, leere Waffenmagazine, Softair-Waffen sowie ein Gegenstand mit möglicherweise Sprengstoff sichergestellt worden, sagte ein LKA-Sprecher. Rund 100 Beamte der Landespolizei seien zum Einsatz gekommen, darunter auch Spezialeinsatzkräfte des LKA.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel äußerte sich besorgt über die zunehmende Radikalisierung Jugendlicher. Er betonte, rechtsextremen Entwicklungen werde entschieden entgegengetreten. «Es entsteht derzeit eine neue Szene sehr junger Rechtsextremer – extrem digital und gewaltbereit. Es ist erschreckend, dass rechtsextreme Umtriebe in rechtsextremen Chatgruppen vor allem bei sehr jungen Menschen momentan dermaßen erfolgreich verfangen», sagte der SPD-Politiker.
«Rechte Ideologien haben in unserer Gesellschaft keinen Platz, egal, ob sie auf der Straße oder in Chats geäußert werden», betonte Pegel. Wer Hass und Hetze verbreite, müsse mit Konsequenzen rechnen. Die Entwicklung mache deutlich, wie wichtig frühzeitige Aufklärung und klare Grenzen seien.
Die Bundesanwaltschaft rechnet der länderübergreifend agierenden mutmaßlichen Terrorgruppe drei brutale Anschläge und Anschlagspläne zu. Teils sollen sie von den jüngst Festgenommenen geplant oder begangen worden sein, teils von drei weiteren Beschuldigten, die schon in Untersuchungshaft sitzen. Es geht um einen Brandanschlag auf ein Kulturhaus in Altdöbern im Süden Brandenburgs, einen versuchten, aber erfolglosen Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Schmölln in Thüringen und Anschlagspläne für eine Asylunterkunft im brandenburgischen Senftenberg.
Der Anschlag in Senftenberg konnte wohl dank Hinweisen eines Reporterteams von «stern»/RTL verhindert werden. Im Februar hatten Ermittler in Sachsen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden eine Wohnung und eine weitere Immobilie durchsucht und dabei Sprengstoff in Form von zwei Kugelbomben, Schlagringe, Einhandmesser, Munition, Schreckschuss- und Softairwaffen gefunden. Ein 21-jähriger Deutscher wurde festgenommen.
Reaktionen auf die aktuellen Ermittlungen kamen auch aus dem Landtag in Schwerin. Dass inzwischen sogar Minderjährige in mutmaßlichen Terrorgruppen organisiert seien und mit Hass, purem Rassismus und aggressiv gegen die Demokratie kämpften, sei erschreckend, sagte SPD-Fraktionschef Julian Barlen. Der AfD warf er vor, mit Hetze gegen Minderheiten und eine offene Gesellschaft den Boden dafür zu bereiten. «Eine neue Generation Jugendlicher radikalisiert sich und fühlt sich durch dieses AfD-Dauerfeuer ermutigt. Das ist brandgefährlich», warnte Barlen.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer wies die Darstellung, die AfD sei verantwortlich für Gewalttaten, als Unterstellung zurück. Die SPD versuche, jede Form legitimer Kritik vonseiten der AfD als extremistisch zu stigmatisieren. Dies sei eine durchschaubare Stimmungsmache und lenke «vom eigentlichen Problem der illegalen Masseneinwanderung und Überfremdung ab», behauptete Kramer.
Der Linke-Abgeordnete Michael Noetzel zeigte sich besorgt über Anzeichen dafür, dass es zu einem «Comeback der "Baseballschlägerjahre» kommen könne, in denen Menschen durch stumpfe Nazigewalt zu Tode kamen. Das entschiedene Vorgehen der Ermittlungsbehörden gegen Vereinigungen wie die «Letzte Verteidigungswelle« sei folgerichtig und dringend notwendig. Es müsse verhindert werden, dass sich ähnliche Strukturen bildeten wie die der Terrorgruppe NSU, die Anfang der 2000er Jahre zehn zumeist rassistisch Morde verübte.
Grünen-Fraktionschefin Constanze Oehlrich bezeichnete die Razzien vom Mittwoch als einen erschütternden Beleg dafür, wie weit die Radikalisierung junger Menschen in der rechtsextremen Szene bereits fortgeschritten sei.
Wer in Chatgruppen Hass verbreite und Gewalt verherrliche oder sogar Anschläge plane, kalkuliere Todesopfer mit ein und stelle eine reale Gefahr für das demokratische Gemeinwesen dar. Sie forderte Innenminister Pegel auf, im Innenausschusses umfassend über die aktuelle Gefährdungslage zu berichten.