15. Mai 2025 – dpa

Jüdisches Leben

Drastischer Anstieg bei antisemitischen Vorfällen im Norden

Höchststand bei antisemitischen Vorfällen in Schleswig-Holstein: Die Dokumentationssteller erfasste 2024 insgesamt 588 Fälle - fast viermal so viele wie im Vorjahr. Was Aufkleber damit zu tun haben.

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In Schleswig-Holstein wurde ein drastischer Anstieg antisemitischer Vorfälle erfasst. (Symbolbild), Foto: Hannes P Albert/dpa

Im Norden sind 2024 deutlich mehr antisemitische Vorfälle erfasst worden. Die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein zählte 588 Fälle, wie Projektleiter Joshua Vogel sagte. 2023 waren es 120 Fälle gewesen. Das entspricht einem Anstieg um 390 Prozent und mehr als elf Vorfällen pro Woche.

«Seit März 2024 beobachten wir ein massives Aufkommen von antisemitischen Aufklebern und Schmierereien, denen allgemein ist, dass sie sich in antisemitischer Art und Weise am Feindbild Zionismus und dem israelischen Staat abarbeiten», sagte Vogel. Allein in Kiel seien im vergangenen Jahr 702 antisemitische Aufkleber dokumentiert worden, zusammengefasst in 380 der 588 Fälle.

«Wir leuchten weiterhin mit einer ziemlich kleinen Taschenlampe in einen sehr, sehr großen, dunklen Raum», sagte Vogel. Der Großteil der Vorfälle sei unterhalb der Schwelle zum Angriff und an der Schwelle zur Strafbarkeit zu verorten. Geschützte Orte würden häufiger als früher zum Ziel antisemitischer Handlungen.

«Die Anzahl der Vorfälle im Kontext Schule hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt», sagte Vogel. Im Gegensatz zu 2023 fänden diese überwiegend im Regelunterricht und nicht bei außerschulischen Veranstaltungen. «Was wir als gesellschaftliche Debatte aktuell erleben, spiegelt sich auch in den Klassenräumen in Schleswig-Holstein wider.»

Deutlich weniger Vorfälle wurden dagegen am Rande von Demonstrationen bekannt. «Hier scheint sich eine Gewöhnung an manche Pöbeleien und Bedrohungen eingestellt zu haben», sagte Vogel.

Der Landesbeauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, verwies auf den Krieg in Gaza. «Gerade in Zeiten solcher Eskalationen ist es umso wichtiger, dass wir hier in Deutschland nicht zulassen, dass sich dieser Konflikt auf unseren Straßen entlädt und dass wir unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht zum Ziel von Hass und Hetze machen.» Die Zahlen belegten, wie schnell antisemitische Denkmuster wieder an die Oberfläche kämen.

«Antisemitismus ist kein Randphänomen. Er ist ein Angriff auf das Fundament unserer demokratischen Ordnung», sagte Ulrich. Es gebe aber auch ermutigende Entwicklungen. Polizei und Justiz zeigten sich zunehmend sensibilisiert. «Sie sehen genauer hin, sie greifen ein.» Antisemitismus dürfe niemals hingenommen werden. «Nicht auf der Straße, nicht im Netz, nicht im Klassenzimmer, nicht im Stadion und nicht im Herzen unserer Gesellschaft.»

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