11. November 2025 – dpa
Zwei Auszubildende in einer Hamburger IT-Firma kommen nicht gut miteinander aus. Schließlich fasst ein 26-Jähriger einen unglaublichen Entschluss. Wie es dazu kam und was der Angeklagte dazu sagt.
Weil er seine Kollegin niedergestochen hat, muss sich seit Dienstag ein 26-Jähriger vor dem Landgericht Hamburg verantworten. Dem jungen Mann wird laut Anklage versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.
Der Auszubildende einer IT-Firma in Hamburg-Harburg soll am 19. Juni gegen 16.00 Uhr in den Büroräumen der Firma einer anderen Auszubildenden «plötzlich in Tötungsabsicht ein Messer mit einer etwa zehn Zentimeter langen Klinge in den Hals gestochen haben».
Der Kollegin gelang es jedoch, das Messer an der Klinge festzuhalten und es dem Angeklagten abzunehmen. Ein tiefes Eindringen in den Hals konnte so verhindert werden. Beim anschließenden Kampf gingen beide zu Boden. Durch Hilferufe eilten zwei weitere Kollegen herbei und halfen der jungen Frau, die daraufhin aus dem Büroraum fliehen konnte. Sie erlitt eine Stichverletzung am Kehlkopfbereich sowie mehrere Schnittverletzungen.
Zu Beginn des Prozesses legte der Angeklagte, ein ruhiger, korpulenter, junger Mann in weißem Hemd und mit schwarzer Brille, ein Geständnis ab, das von seinem Verteidiger vorgelesen wurde. «Ich bereue es, was ich getan habe», las der Verteidiger vor. «Mir ist bewusst, dass ich dafür bestraft werden muss.»
Zudem bat der Deutsche um ein mildes Urteil. Ihm sei klar geworden, «wie schlimm meine Tat für sie gewesen sein muss». Er bereue es und wolle sich bei ihr entschuldigen. «Schuld trage allein ich.»
Danach versuchte er zu schildern, wie es zu der Tat gekommen ist. Die beiden hatten seit zehn Monaten gemeinsam an einem Projekt gearbeitet. Dabei sei es immer wieder zu Kommunikationsproblemen gekommen. «Sie hat mich angeschrien und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.» Auch seine Vorgesetzten hätten ihm bei dem Problem nicht helfen können. Die Vorwürfe wie «Das habe ich Dir doch schon zehn Mal erklärt» hätten ihn zermürbt. Diese Wut und Hilflosigkeit hätten schließlich dazu geführt, «dass ich dachte, wenn ich sie töte, hört das auf». Dafür schäme er sich heute.
Schließlich fasste er den Entschluss, die Tat umzusetzen. «Ich hatte vor, sie mit dem Messer zu töten.» Dafür hatte er ein Jagdmesser in seine Hose gesteckt. Kurz vorher zögerte er jedoch, habe seinen Plan geändert und ging auf die Toilette, um Amphetamine zu sich zu nehmen. Danach fühlte er sich ruhiger und wollte nun durchhalten bis zu seinem Urlaub. Als die Auszubildende ihn jedoch erneut kritisierte, sei das wie ein «Dammbruch» gewesen. «Ich habe einfach zugestochen.» Gott sei Dank habe die junge Frau das Messer abwenden können. «Dafür bin ich heute dankbar.»
Das 27-jährige Opfer schilderte die Probleme vor der Tat etwas anders. «Das, was sie gemacht haben, war nicht funktionsfähig», sagte sie zu der Arbeit, die der Angeklagte zusammen mit einem weiteren Auszubildenden angefertigt habe. Der 26-Jährige habe nicht, wie abgesprochen, Fehler entfernt, sondern das Programm umgeschrieben. «Das hat vorne und hinten nicht gepasst.» Das habe nicht nur ihn, sondern das gesamte Team frustriert.
Am Tag der Tat sei das Ganze eskaliert, weil plötzlich ein Abgabetag vorgesehen war. Als der Angeklagte nach 30 Minuten immer noch nicht von der Toilette zurückgekommen sei, habe sie sich Sorgen um ihn gemacht. Als sie dann die Tat schildert, fängt die junge Frau mit den langen, braunen Haaren an zu schluchzen. Der 26-Jährige habe in seine Hosentasche gegriffen. Sie dachte, er hole Handschuhe heraus. «Dann kam das Messer wie ein Bogen geflogen», schildert sie unter Stocken. Der Angeklagte habe einen «wahnsinnigen, animalischen Blick» gehabt.
Sie habe zunächst nicht realisiert, dass es sich um ein Messer handelt. Sie habe nur gesehen, «dass etwas von der Seite kam» und habe es einfach ergriffen. Als sie anschließend mit dem Angeklagten auf dem Boden rangelte, habe sie das Messer die ganze Zeit festgehalten, bis die Kollegen ihr zu Hilfe kamen.
Noch heute leidet die junge Frau unter den Folgen der Tat. Die Beweglichkeit der Hand, die das Messer ergriffen habe, sei immer noch eingeschränkt, unter anderem, weil eine Sehne gerissen war. Alle Finger seien betroffen und sie gehe regelmäßig zur Ergotherapie und nehme auch Psychotherapie in Anspruch. In einem Täter-Opfer-Ausgleich hat der Angeklagte dem Opfer 20.000 Euro Schmerzensgeld angeboten. Das Gericht hat Termine bis Mitte Dezember angesetzt.