Eurofighter-Unglück jährt sich

Eurofigher-Crash
Bild: Thomas Steffan

Der 24.06.2019 war ein warmer, sonniger Montag an der Mecklenburgischen Seenplatte. Doch das unbeschwerte Sommergefühl wich am frühen Nachmittag blankem Entsetzen. Kurz nach 14 Uhr gingen auf unserer Studio-Hotline die ersten Hinweise und Bilder ein, die auf ein dramatisches Flugzeugunglück hindeuteten. Die Recherchen unserer Ostseewelle-Reporter wurden schnell bestätigt - bereits gegen 14:10 Uhr waren wir der erste Sender, der über die Katastrophe am Himmel über dem Fleesensee informierte. Der Eilmeldung folgten viele weitere Sonderberichte und Nachrichtenausgaben. Unsere Berichte und Bilder vom Unglück - On-Air und auf unseren Online-Plattformen - verbreiteten sich mit rasanter Geschwindigkeit weltweit. Sogar der Nachrichtensender CNN teilte den Post auf der Ostseewelle-Facebook-Seite, die "New York Times" bezog sich in ihrem Bericht auf Ostseewelle-Informationen, bei tagesschau, heute journal und auf vielen internationalen Fernsehkanälen wurde die Ostseewelle-Berichte genutzt. Der tragische Zusammenstoß der beiden Eurofighter vom Fliegerhorst Rostock-Laage zählt zu den schwersten Unglücken in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns.

Ein Jahr danach nochmal vor Ort
Wenn Tiefflieger der Bundeswehr in diesen Tagen über die Region Malchow und Nossentiner Hütte hinwegdonnern, schaut Andreas Schaade aufmerksam nach oben. «Das Üben hat uns früher wenig interessiert», sagt der Landwirt. Durch die russischen Kampfpiloten war man viel Krach gewöhnt. Aber seit rund einem Jahr ist an der Mecklenburgischen Seenplatte alles anders: Am 24. Juni 2019 krachten über dem Fleesensee etwa 100 Kilometer Luftlinie nördlich von Berlin zwei Kampfflugzeuge zusammen. Es gab einen Feuerball, die Maschinen stürzten ab. Ein junger Pilot starb, der Zweite - ein erfahrener Fluglehrer - überlebte, ein dritter Pilot flog zurück nach Rostock-Laage. «Wir können glücklich sein, das nicht noch mehr passiert ist», sagt die Amtsvorsteherin und Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte, Birgit Kurth.

Knapp ein Jahr nach der Aufregung ist nicht nur sprichwörtlich «Gras über den Vorfall gewachsen». Damals waren Nossentiner Hütte, Silz und Nossentin wochenlang abgesperrt. Nur wenige Hundert Meter neben den Dörfern waren die Wracks und auch Leichenteile des Getöteten niedergegangen. Hundertschaften durchsuchten Felder, Grundstücke, Wälder und Wiesen und fanden etliche Teile der teuren Maschinen - auch auf dem Sportplatz und neben dem Kindergarten. Das ist auch noch nicht vorbei: «Die Bundeswehr hat immer noch Kisten hier zu stehen, wo Teile hineingeworfen werden», sagt Kurth. Einheimische und Urlauber finden durch Zufall immer noch Eurofighter-Stücke.

Zwölf Monate nach dem Flugunfall hat der General Flugsicherheit - zugleich auch eine Abteilung im Luftfahrtamt der Bundeswehr - die Ermittlungen soweit abgeschlossen. Laut dem Abschlussbericht steht der jüngere der beiden Unglückspiloten als Verursacher fest. Demnach soll der 27-Jährige bei dem Kampfflugmanöver der drei Maschinen (zwei gegen eins) unter anderem eine falsche Fluglinie geflogen sein. «Es gibt bisher keinen Hinweis, dass einer der beiden anderen Piloten einen Fehler gemacht hat», sagt der Sprecher der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, Andreas Lins. Man stehe «in engem Kontakt mit den militärischen Behörden.» In dieser Richtung könnten die staatsanwaltlichen Ermittlungen im dritten Quartal 2020 auch abgeschlossen werden. Die Behörde hatte auch die geborgenen Flugzeugwracks beschlagnahmt.

Für Landwirt Schaade ist das alles lange her. «Auf unseren Feldern spüren wir nichts mehr vom Absturz und den Bergungsmaßnahmen», sagt er. An der Absturzstelle unweit vom Kindergarten wurde auch Boden ausgetauscht. Nun wächst Roggen - aber mit Trockenschäden. Im Augenblick gibt es mit der Dürre und der Corona-Krise überhaupt größere Probleme als vor einem Jahr, sind sich die Amtsleiterin und Schaade sicher. Rund 100.000 Euro als Entschädigung für die letzte Ernte, die wegen des Unglücks zum Teil ausgefallen war, hat Schaade für seine beiden Agrarbetriebe erhalten. 250.000 Euro hat die Bundeswehr an die Feuerwehren der Region gezahlt. Die Schutzanzüge vieler Kameraden waren mit vermutlich gesundheitsschädlichen Kohlenstofffasern verschmutzt, die beim Brand der Flugzeuge freigesetzt wurden. Die Schutzkleidung sollte entsorgt werden.

In einer Bürgerversammlung hatte die Bundeswehr direkt nach dem Unglück über den Sachstand berichtet. Offiziere stellten sich Fragen zu Straßensperrungen und möglichen Gesundheitsgefahren. Bei der Luftwaffe gilt das inzwischen als Lehrstück, wie man auf so ein Unglück reagiert. Weniger als zwei Wochen später ging der Übungsbetrieb weiter. Tenor: Die Ausbildung muss nicht grundsätzlich anders aufgestellt werden. Der Eurofighter ist das sicherste Kampflugzeug in der Geschichte der Bundeswehr. Seit 2004 war kein deutscher Eurofighter abgestürzt.

An einem Kita-Briefkasten klebt noch ein Zettel von vor einem Jahr, auf dem Verfasser ein Ende aller Tiefflüge in Deutschland fordern. Diese Forderung hat unter Kommunalpolitikern aber keine Mehrheit gefunden. Die Bürgermeisterin wollte in ihrer Gemeindevertretung im Juni eine Gedenkveranstaltung anregen, aber in Nossentiner Hütte fand sich keine Mehrheit - die Leute wollten ihre Ruhe, hieß es. «Nach jeder Krise geht das Leben weiter», sagt die pragmatische Amtsleiterin Kurth. In Nossentiner Hütte gab es erst vor wenigen Wochen ein anderes Großereignis: Die erste Fußballmannschaft, auf deren Sportplatz auch Wrackteile gefunden worden waren, ist Ende Mai in die Landesliga aufgestiegen. (osw/dpa)


SO BERICHTETE OSTSEEWELLE VOR EINEM JAHR

Eurofighter-Crash
23.06.2020
Eurofighter-Crash
Hier die Sonderausgabe der Ostseewelle-Nachrichten von 14:30 Uhr zum Nachhören
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Eurofighter-Crash
23.06.2020
Eurofighter-Crash
Radio-Beitrag von 15:30 Uhr
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(zuletzt aktualisiert 24.06.19 | 19 Uhr) Zwei Luftwaffenjets vom Typ Eurofighter sind am Montag, 24.06.19, gegen 14 Uhr über der Müritzregion abgestürzt. Offenbar haben sich die beiden Maschinen in der Luft berührt. Danach sind zwei Feuerbälle nördlich des Fleesensees zu Boden gestürzt. Vor Ort gab es auch kleinere Waldbrände. Die Feuer waren schnell gelöscht. Zwölf Feuerwehren mit 100 Einatzkräften und Rettungskräfte der Region waren den ganzen Nachmittag im Großeinsatz. Die Absturzstellen im Raum Nossentiner Hütte und im zehn Kilometer entfernten Jabel sind jetzt militärisches Sperrgebiet und weiträumig abgesperrt. Die Ermittlungen vor Ort werden noch mehrere Tage andauern. Es ist das erste Unglück dieser Art bei der Luftwaffe in Deutschland.

Die beiden Piloten konnten sich zunächst mit dem Schleudersitzen aus den Fliegern befreien. Ein Pilot, der auch als Fluglehrer tätig war, wurde gegen 15 Uhr in der Nähe von Nossentiner Hütte lebend und in 20 Meter Höhe in einem Baum hängend gefunden. Er machte einen relativ gefasst Eindruck, konnte mit den Rettungskräften reden und wurde geborgen, um ins Krankenhaus gebracht zu werden. Er hat keine lebensbedrohlichen Verletzungen. Der zweite, ebenfalls erfahrener Pilot (27 Jahre), ist ums Leben gekommen. Die Piloten verfügen über eine GPS-Ortung. Bei dem tödlich verunglückten Piloten hat das Ortungssystem offenbar nicht funktioniert - er konnte erst mit einiger Zeit Verzögerung gefunden werden.

Am späten Montagnachmitag haben sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Landes-Innenmnister Lorenz Caffier vor Ort ein Bild gemacht. Über der Region Malchow am Ortsrand von Nossentiner Hütte sind außerdem auch Trümmerteile über bewohntem Gebiet niedergegangen. Die Flieger waren nicht bewaffnet. Caffier hat die in der Absturzregion der beiden "Eurofighter" lebenden Menschen auf längere Einschränkungen und Absperrungen eingestimmt. Das sei nötig, um alle Teile der abgestürzten Maschinen bergen zu können. Denn nur so könne der General für Luftunfallaufklärung auch die Absturzursache ermitteln. Caffier forderte die Bevölkerung auf, sich von den kilometerweit verstreuten Wrackteilen fernzuhalten. Bei der Sicherung der Unfallstelle seien wegen giftigen Rauchs bereits zwei Feuerwehrleute verletzt worden.

Die beiden Eurofighter waren zusammen mit einem dritten Jet zu einer Kampfübung in Rostock-Laage gestartet. Der dritte Pilot hatte das Unglück beobachtet. Nach Augenzeugenberichten haben die beiden Unglücksflieger eine Schleife gedreht und waren dann unter einem lauten Knall zusammengestoßen. Nähere Erkenntnisse erhoffen sich die Ermittler von den beiden Flugschreibern, die am Dienstag gefunden wurden. Die Auswertung wird jedoch Wochen dauern.

Inzwischen gibt es kritische Stimmen aus der Müritzregion, weil die Luftwaffe seit Jahrzehnten über der beliebten Urlaubsregion Manöver übt. Es grenzt an ein Wunder, dass die abstürzenden Trümmerteile zu keinen Verletzten oder Toten in den umliegenden Orten geführt hat. Viele Anwohner haben jetzt große Sorge, dass sich so ein Unglück über ihnen jederzeit wiederholen könnte.

Am Dienstag hat auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Unglücksstelle besucht.

Seit 14:10 Uhr halten wir euch als erster Sender über das Unglück auf dem Laufenden. Auch viele Hörerinnen und Hörer haben uns am Telefon von ihren Beobachtungen berichtet. Ausführliche Informationen immer zur vollen Stunde in den Nachrichten bei Ostseewelle HIT-RADIO Mecklenburg-Vorpommern.

DIE GESCHICHTE HINTER DEM ABSTURZ-VIDEO
Ein dramatisches Video mit Bildern vom Absturz der beiden Eurofighter über dem nördlichen Fleesensee ging am 24.06.19 um die Welt. Der gebürtige Warener Mario machte gerade Urlaub in seiner alten Heimat und hat am Tag nach dem Unglück bei Ostseewelle die Geschichte hinter dem Zeitdokument erzählt.

Eurofighter-Crash
23.06.2020
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Das Ostseewelle-Gespräch mit Mario vom 25.06.19/8:50 Uhr:
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Der Bericht von Focus-Online über unseren Reporter Alex Stuth. Zum Focus-Online-Bericht: ...hier

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Bildausschnitt der Website von Focus-Online

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Ein Pilot überlebte das Unglück und musste aus 20 Meter Höhe aus einem Baum befreit werden. Bild: Benjamin Vormeyer

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Trümmerteile auf dem Sportplatz Nossentiner Heide. Häuser wurden bei dem Absturz der "Eurofighter" offenbar nicht beschädigt. Weitere Trümmerteile liegen auf dem Friedhof von Nossentiner Hütte. Menschen oder Häuser wurden aber nicht getroffen. Bild: Ostseewelle

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Die Absturzstelle nach den Löscharbeiten.

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Die Absturzstelle eines Eurofighters

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Die Feuerwehren konnten die Brände mit Löschschaum bekämpfen.


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