21. November 2025 – dpa
Von Gustaf Gründgens bis Karin Beier: Wie prägten Intendanten und Regisseure das Schauspielhaus? Ein Blick auf Höhepunkte, Erfolge und Skandale des Traditionshauses.
Seit 125 Jahren prägt das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg die Theaterlandschaft. Anbei einige Fakten zur größten deutschen Sprechbühne und ihrer wechselvollen Geschichte.
Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg ist mit 1.200 Plätzen das größte Sprechtheater Deutschlands. Es wurde 1900 durch eine private Initiative von Hamburger Bürgern gegründet. Die Pläne stammen von dem Wiener Architekturbüro Fellner und Helmer, die das neobarocke Gebäude nach dem Vorbild des Wiener Volkstheaters gestalteten. Am 15. September 1900 wurde das Theater mit einer Aufführung von «Iphigenie auf Tauris» feierlich eröffnet.
Zu besonderem Ruhm gelangte das Deutsche Schauspielhaus, als 1955 bis 1963 Gustaf Gründgens das Haus leitete. Seine «Faust»-Inszenierungen mit ihm und Will Quadflieg in den Titelrollen gingen als «Hamburger Faust» in die Geschichte ein und machten das Haus durch zahlreiche Gastspiele weit über Deutschland hinaus bekannt. Die Intendanz von Egon Monk endete 1968 nach nur 74 Tagen und ging als die kürzeste in die Geschichte ein.
Zu den bekanntesten Intendanten der vergangenen Jahrzehnte zählte Peter Zadek (1985-1989), der das Publikum mit seiner Maxime provozierte, «Ereignis-Theater» und kein «Erklär-Theater» machen zu wollen. Unter der Leitung von Frank Baumbauer (1993-2000) spielte das Theater viele Gegenwartsautoren und wurde dank eines erstklassigen Ensembles wieder zu einer der wichtigen deutschen Bühnen – viermal wurde das Schauspielhaus unter Baumbauer von den Kritikern der Fachzeitschrift «Theater heute» zum «Theater des Jahres» gewählt.
Seit der Saison 2013/14 leitet mit Karin Beier erstmals eine Frau das größte deutsche Sprechtheater. Unter ihrer Leitung hat das Schauspielhaus eine erfolgreiche Entwicklung genommen, was sowohl die künstlerischen Positionen als auch den Erfolg beim Publikum betrifft. 2024 wurde das Haus zum «Theater des Jahres» gewählt, besonders viel Lob von den Kritikern erhielt der fünfteilige Antiken-Zyklus «Anthropolis» von Intendantin Beier.
Insgesamt wurde das Deutsche Schauspielhaus von den Kritikern der Fachzeitschrift «Theater heute» sechsmal zum «Theater des Jahres» gewählt. Viermal unter der Intendanz von Frank Baumbauer (1994, 1996, 1997 und 2000), einmal unter der Intendanz von Tom Stromberg (2005) und zuletzt unter der Intendanz von Karin Beier (2024).
Zu den berühmtesten Schauspielern des Deutschen Schauspielhauses in der Nachkriegszeit zählen Gustaf Gründgens, u.a. in der Rolle des Mephisto und Will Quadflieg in der Rolle des Faust. Unter Peter Zadek spielten namhafte Größen wie Susanne Lothar, Gert Voss, Jutta Hoffmann, Ulrich Wildgruber, Hermann Lause, Ilse Ritter, Eva Mattes oder Ulrich Tukur am Haus.
Auch danach ist immer wieder das Who's Who der deutschen Schauspielerinnen und Schauspieler zu erleben, darunter Joachim Meyerhoff, Edgar Selge oder Alexander Scheer. Aktuell stehen unter anderem Lina Beckmann, Charly Hübner, Michael Wittenborn, Julia Wieninger, Carlo Ljubek, Ernst Stötzner, Angelika Richter, Lilith Stangenberg oder Devid Striesow am Deutschen Schauspielhaus auf der Bühne.
Zu den berühmtesten, aber auch umstrittensten Regisseuren des Schauspielhauses, zählt sicherlich Gustaf Gründgens. Unter der Intendanz von Frank Baumbauer inszenierten Regisseure wie Christoph Marthaler, Frank Castorf, Johann Kresnik, Wilfried Minks, Jossi Wieler, Matthias Hartmann, Stefan Bachmann und Karin Beier regelmäßig am Haus, an dem Stücke von Elfriede Jelinek und Rainald Goetz ihre Uraufführung erlebten.
Unter der Intendanz von Tom Stromberg lockten Regisseure wie Jan Bosse, René Pollesch, Stefan Pucher und Ingrid Lausund mit originellen Inszenierungen von Klassikern wie «Faust» (mit Edgar Selge als Faust und Joachim Meyerhoff als Mephisto) und «Othello» (mit Alexander Scheer) ein junges Publikum an.
Sein Nachfolger Friedrich Schirmer engagierte Regisseure wie Martin Kušej, Jürgen Gosch, Sebastian Nübling oder Volker Lösch. Neben Intendantin Karin Beier inszenieren heute einige der einflussreichsten Theaterregisseure: Katie Mitchell, Christoph Marthaler, Karin Henkel oder Frank Castorf.
Einer der größten Theaterskandale in der Geschichte des Schauspielhauses ereignete sich 1929. Nationalsozialistische Kreise sprengten Ferdinand Bruckners sozialkritisches Stück «Die Verbrecher». Als die Störungen anhielten, wurde das Stück nach nur elf Vorstellungen aus dem Programm genommen. Später wird das Haus «gesäubert», jüdische Künstler werden verdrängt. 1935 sorgt Jürgen Fehlings «Don Karlos» dennoch für einen Moment des Aufbruchs – Posas Ruf nach Gedankenfreiheit löst Szenenapplaus aus.
Für den größten Hamburger Theaterskandal der Nachkriegszeit sorgte Peter Zadek mit seiner Inszenierung von Shakespeares «Othello», mit Ulrich Wildgruber in der Titelrolle und Eva Mattes als Desdemona. Wildgruber hechelte als Othello schwitzend und rasend vor Eifersucht über die Bühne, seine pechschwarze Bemalung färbte auf alles ab, was er berührte, die erwürgte Desdemona hängte er nackt über eine Wäscheleine. «Das ist nicht unser Shakespeare», empörte sich das Hamburger Publikum.