30. Juli 2025 – dpa

Finanzreport

Kommunen verzeichnen größtes Defizit in ihrer Geschichte

Den Kommunen in Schleswig-Holstein fehlte im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro. Auch der Ausblick bleibt düster. Die Vorständin der Bertelsmann Stiftung sieht eine «Zeitenwende».

Die Kommunen Schleswig-Holsteins haben laut Bertelsmann Stiftung im vergangenen Jahr das größte Defizit in ihrer Geschichte verzeichnet. Ihnen fehlte im Jahr 2024 rund eine Milliarde Euro. Das Ergebnis des Kommunalen Finanzreports 2025 der Stiftung zeige, dass vor allem die Ausgaben für Personal, Sachkosten und Soziales ungebremst stiegen, hieß es.

Die Städte, Kreise, Gemeinden und Ämter im nördlichsten Bundesland schnitten in den letzten zehn Jahren finanziell schlechter ab als alle deutschen Kommunen im Bundesdurchschnitt. Nur selten erzielten sie den Angaben nach Überschüsse. Im vergangenen Jahr verdreifachte sich das Defizit und die Haushaltsprobleme betrafen fast alle: Keiner der 15 Kreise und keine kreisfreie Stadt schloss mit einem Plus ab.

Anders als bei früheren Krisen liegt die Ursache laut Bertelsmann Stiftung in erster Linie in der Entwicklung der Ausgaben, die allein 2024 im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent anwuchsen. So hätten sich etwa die Personalausgaben binnen zehn Jahren verdoppelt - eine Folge von Stellenwachstum und höheren Tarifabschlüssen.

Auch der Ausblick auf die kommenden Jahre bleibe düster: Die strukturellen Probleme seien ungelöst, die Inflation treibe die Ausgaben dauerhaft in die Höhe, und die Wirtschaft entwickele sich weiterhin schwach. «Das Defizit des Jahres 2024 markiert eine Zeitenwende, welche die finanzielle
Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stellt», sagte die Vorständin der Bertelsmann Stiftung, Brigitte Mohn.

Die Kommunen trügen über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen und sicherten den sozialen Zusammenhalt. Daher drängt Mohn auf eine Staatsreform, da die Kommunen ihre zentralen Aufgaben sonst nicht mehr bewältigen könnten. Außerdem forderte sie mehr Einsatz von Bund und Land.

Zwar wurde bei den Investitionen im nördlichsten Bundesland 2024 ein Rekord von zwei Milliarden Euro verzeichnet. Doch die Ausgaben wurden durch die hohen Inflationsraten in der Baubranche überlagert. Der Investitionsrückstand wachse weiter. Kommunalexpertin Kirsten Witte erklärte: «Die Investitionen haben sich positiv entwickelt. Aber für die großen Aufgaben der Transformation reichen die Mittel nicht aus.»

So seien auch zusätzlich umfangreiche Investitionen in die Klimaanpassung der kommunalen Infrastruktur notwendig, um einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Treibhausgase zu leisten. «Angesichts der aktuellen Finanzlage werden die Kommunen die dafür notwendigen Mittel nicht allein aufbringen können», sagte Witte. Auch das Sondervermögen des Bundes werde den Bedarf nur teilweise decken, deshalb brauche es langfristige Finanzierungspläne.

Das Statistikamt Nord meldete 2024 für Gemeinden, Kreis- und Amtsverwaltungen sowie kreisfreie Städte im Land ein Finanzierungsdefizit von 778 Millionen Euro. Der kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung hingegen bezifferte das Defizit auf 964 Millionen Euro. René Geißler, Mitautor des Reports, erklärt, diese Zahl stamme aus der Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes von April.

Der Unterschied ergibt sich laut Geißler daraus, dass das Statistische Landesamt nur die Kernhaushalte berücksichtigt. Das Statistische Bundesamt hingegen bezieht auch sogenannte Extrahaushalte ein – ausgelagerte Bereiche, die eng mit den Kommunen verbunden sind.

Ein weiterer Grund für die Abweichung könnte die Aktualität der Zahlen des Statistikamts sein. Gerade bei der Kassenstatistik herrsche oft Zeitdruck, da bundesweite Übersichten schnell verfügbar sein müssten.

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