16. Oktober 2025 – dpa
Die schleswig-holsteinische Landesverfassung nennt Staatsziele, darunter den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Gleichstellung von Frauen und Männern. Jetzt sollen weitere hinzukommen.
Der Landtag in Kiel hat die Weichen für eine Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein gestellt. Es sollen weitere Staatsziele aufgenommen werden. So soll zum Beispiel der Schutz vor Antisemitismus und der Schutz des Kindeswohls und des Klimas in der Landesverfassung verankert werden. Die Abgeordneten verwiesen das Thema nach einer ersten Debatte in den Innen- und Rechtsausschuss.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch betonte den Grundkonsens über die Fraktionsgrenzen hinweg. Kindeswohl und Kinderrechte würden gestärkt. Erstmals widme man dem Sport einen eigenständigen Artikel. «Wir wollen unser Bundesland zum Vorreiter in Sachen Digitalisierung in Deutschland machen», sagte Koch. «Wir sind ein kleines Bundesland und nicht mit finanziellem Reichtum gesegnet. Deshalb müssen wir schneller und innovativer sein als andere, wenn wir in einer immer dynamischeren und globalisierten Welt bestehen wollen.»
Über einen von den Religionsgemeinschaften gewünschten Gottesbezug in der Präambel werde man intensiv diskutieren, sagte Koch.
Aus Sicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt sind die Vorschläge eine sinnvolle Weiterentwicklung der Landesverfassung. Auf FDP-Vorschlag sei der Erhalt der Infrastruktur als Staatsziel aufgenommen. Er würde auch gerne eine Investitionsquote von mindestens zehn Prozent in der Verfassung verankern. «Leider müssen wir noch weitere Überzeugungsarbeit leisten.»
Für die Grünen betonte Fraktionschef Lasse Petersdotter, jede Änderung an der Landesverfassung müsse gut abgewogen werden. Der Klimaschutz komme als eine der größten Herausforderungen hinein. Schleswig-Holstein werde das erste Bundesland sein, dass den Artenschutz als Staatsziel habe. Zum Gottesbezug sagte er: «Ich bin persönlich nicht überzeugt. Ich will nur sagen, dass Demut auch sehr gut ohne Gott geht.»
Die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Serpil Midyatli, sagte, man sei in vielen Punkte zusammengekommen. Das betreffe etwa die Themen Antisemitismus, sexuelle Orientierung, Klima- und Artenschutz oder die Förderung des Sports. Das seien gute und richtige Vorhaben. Besonders wichtig sei die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und das Staatsziel, bezahlbaren Wohnraum zu haben.
Dass ihre Fraktion den Antrag dennoch nicht mit unterzeichnet habe, begründete Midyatli mit dem Punkt Digitalisierung. Die SPD-Fraktion lehne es ab, das Recht auf einen analogen Zugang zu Behörden und Gerichten zu streichen. Ein schriftlicher oder persönlicher Zugang müsse erhalten bleiben. Es gelte, Menschen vor digitaler Ausgrenzung schützen. «Es ist auch eine Frage des Respekts.»
Petersdotter sagte, man nehme in diesem Punkt Befürchtungen ernst und werde Menschen unterstützen, die Hilfe benötigen. Der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz sagte, auch künftig dürfe niemand Nachteile davon haben, dass er nicht auf digitale Abläufe eingestellt sei. Es werde sichergestellt, dass jeder teilhaben könne.
Die SSW-Fraktion würde gerne eine eigenständige Verfassungsbeschwerde für die Bürger ermöglichen, sagte der Fraktionsvorsitzende Christian Dirschauer. Damit würde das Land auch sagen: «Wir trauen unseren Bürgerinnen und Bürgern zu, ihre Rechte selbst in Anspruch zu nehmen.» Das stärke das Vertrauen in den Rechtsstaat und es stärke die Verfassung.
Der Landesbeauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, reagierte positiv auf die geplante Verfassungsänderung. «Der Landtag signalisiert heute, dass Schleswig-Holstein entschlossen gegen Antisemitismus aufsteht und diesen nicht toleriert. Für diese Initiative bin ich ausgesprochen dankbar, denn sie ist ein starkes Zeichen für die jüdische Kultur und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein.»