17. November 2025 – dpa
Der Prozess um die Messerattacke vom 23. Mai im Hamburger Hauptbahnhof findet ohne Zuschauer statt. Die beschuldigte Frau soll psychisch krank sein. Viele Details zum Tatgeschehen sind schon bekannt.
In nur 24 Sekunden verletzt eine Frau mit einem Messer 15 Menschen im Hamburger Hauptbahnhof. Das Messer hat sie wenige Minuten vor der Tat am vergangenen 23. Mai gegen 18.00 Uhr in einem Drogeriemarkt im Bahnhof gestohlen, wie Vertreter des Hamburger Senats später dem Innenausschuss der Bürgerschaft berichten.
Noch in der Wandelhalle packt die 39-Jährige das Messer mit einer 8,5 Zentimeter langen Klinge aus und macht einzelne Stichbewegungen, auch in Richtung von Passanten, ohne sie zu verletzten. Erst als sie im Gedränge jenes Freitagnachmittags die Treppe in Richtung der Fernbahngleise 13 und 14 hinuntergeht, bemerkt ein Zeuge das Messer in ihrer Hand und alarmiert die Bundespolizei.
Fast sechs Monate nach der Tat beginnt am Dienstag ein Prozess vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft, geht davon aus, dass die 39-Jährige bei der Tat schuldunfähig war. Sie leide an einer mit Realitätsverkennung einhergehenden paranoiden Schizophrenie, hieß es.
Im Rahmen des sogenannten Sicherungsverfahrens hat die Anklagebehörde die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragt. Das sogenannte Sicherungsverfahren soll nach Angaben einer Gerichtssprecherin komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau laut Mitteilung versuchten Totschlag in 21 Fällen vor, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Während sechs Personen den Stichen ausweichen konnten, erlitten laut Staatsanwaltschaft 15 Geschädigte zum Teil erhebliche Schnitt- oder Stichverletzungen. Früheren Angaben nach wurden drei Frauen im Alter von 24, 52 und 85 Jahren und ein 24 Jahre alter Mann lebensgefährlich verletzt.
Die Polizei war den Senatsangaben zufolge vier Minuten nach der Tat auf dem Bahnsteig. Da hatten schon zwei Zeugen die Frau überwältigt. Sie waren wenige Sekunden nach Tatbeginn auf die 39-Jährige aufmerksam geworden und verfolgten sie. Das habe die Frau bemerkt, sei schneller über den vollen Bahnsteig gelaufen und habe weiter wahllos auf Menschen eingestochen.
Einer der Zeugen habe sie zu Fall bringen können und ihr das Messer aus der Hand getreten. Gemeinsam fixierten die beiden Zeugen die Angreiferin bis zum Eintreffen der Polizei am Boden. Das Tatgeschehen inklusive des Messerdiebstahls konnten die Ermittler durch die minuziöse Auswertung zahlreicher Überwachungskameras rekonstruieren.
Wie die Senatsvertreter am 3. Juli im Innenausschuss weiter berichteten, war die Beschuldigte schon seit 20 Jahren immer wieder in psychiatrischer Behandlung gewesen. Mehrfach soll sie Menschen attackiert haben. «Bei der Beschuldigten handle es sich um eine Patientin mit einer sogenannten reisenden Psychose», heißt es im Protokoll der Ausschusssitzung. Die Frau wird als «Drehtürpatientin» bezeichnet.
Im Januar 2025 soll die 39-Jährige in Großhansdorf (Kreis Stormarn) nordöstlich von Hamburg versucht haben, ihren damals 69 Jahre alten Vater mit einer Schere zu töten. Das scheiterte jedoch, weil die 71 Jahre alte Mutter dazwischen ging und ihr die Schere abgenommen habe. Gleichwohl sei der Vater im Schulter- und Oberarmbereich verletzt worden.
Damals ergaben sich nach Angaben der Lübecker Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung der Frau. Das Amtsgericht Lübeck lehnte jedoch eine Unterbringung ab, eine Beschwerde gegen den Beschluss wurde vom Landgericht Lübeck verworfen.
Am 26. Februar wurde sie den Senatsangaben zufolge gegenüber einem Kind auf einem Spielplatz im Hamburger Flughafen gewalttätig. Sie habe das sechsjährige Mädchen unvermittelt an der Schulter gepackt, geschüttelt und mit der flachen Hand auf den Oberarm geschlagen. Nach einer Einweisung in eine psychiatrische Klinik in Hamburg habe sie eine an ihr vorbeigehende Mitpatientin unvermittelt getreten.
Am Tag vor dem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof war die 39-Jährige aus einer Psychiatrie im Landkreis Cuxhaven entlassen worden. Nach Auskunft der Klinik gab es zu jenem Zeitpunkt keinen medizinischen Befund, der eine weitere Unterbringung gerechtfertigt hätte.
Die Senatsvertreter berichteten unter Berufung auf die Bundespolizei über einen undatierten weiteren Zwischenfall in einem Nahverkehrszug in Bremen. Sie soll mit einem Beil in dem Zug unterwegs gewesen sein und - allerdings nicht mit dem Beil - Reisende angegriffen haben. Am 27. Juli 2024 soll sie in ihrer damaligen Wohnung bei Osnabrück einzelne Dokumente verbrannt haben, wobei eine Matratze Feuer fing. Die Staatsanwaltschaft habe wegen schwerer Brandstiftung ermittelt.
Von den Vortaten sind nach Angaben der Gerichtssprecherin nur der Angriff auf den Vater und der auf die Sechsjährige am Flughafen Gegenstand des Sicherungsverfahrens. Die Große Strafkammer hat sieben Verhandlungstage angesetzt, das Urteil könnte am 27. Januar - ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit - verkündet werden.